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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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Meilen weit von zu Hause weg wirkte das einigermaßen komisch. Taku und ich lachten, aber mich hatte ein ungutes Gefühl beschlichen. Während wir uns über einige Senatoren lustig machten, die keinen blassen Schimmer von dem hatten, was sie da redeten, war die Tatsache, dass Goldman Sachs im Zeugenstand war, für mich alles andere als witzig. Es war so ziemlich das Schlimmste, was einem Unternehmen passieren konnte, das so stolz auf seinen glänzenden Ruf gewesen war.
    Ich hatte irgendwann das dringende Bedürfnis, mich und meine Firma gegenüber Taku zu verteidigen. Aber es war zu spät: Taku war auf dem Sofa eingeschlafen. So brisant fand er die ganze Angelegenheit offenbar nicht. Da saß ich also im Haus der Mutter eines Kunden in einem fremden Land und verfolgte im Fernsehen, wie gegen meine Firma Anklage erhoben wurde, während alle anderen schlafen gegangen waren. Eine merkwürdige Situation, aber ich blieb sitzen und schaute weiter zu.
    Schließlich kam Lloyd an die Reihe. Levins verbales Sperrfeuer schien Viniar ziemlich geschockt zu haben. Lloyd mühte sich in ähnlicher Weise ab. Goldman Sachs war nicht geübt darin, sich derartig verteidigen zu müssen. Bei diesen Vernehmungen im öffentlichen Rampenlicht gaben wir eine schlechte Figur ab. Hier musste man Muskeln zeigen, die wir bis dahin noch nie trainiert hatten. Man spürte, dass es für Lloyd und die anderen Goldman-Mitarbeiter, die an diesem Tag in die Zange genommen wurden, nichts zu gewinnen gab. Sie würden Prügel kassieren und, wenn sie Glück hatten, mit einem blauen Auge davonkommen – wenn sie sich keine größere Blöße gaben oder, was Gott verhüten mochte, sich selbst belasteten. Es war unverkennbar, dass Lloyd sich über diese Vorladung ärgerte. Aber er tat sein Bestes, so überzeugend zurückzuschlagen, wie er konnte.
    Ich musste immer wieder an das Argument denken, das Lloyd wiederholt vorgebracht hatte: dass das Unternehmen in den Bereichen Sales und Trading keine treuhänderische Verantwortung trage, dass wir nicht verpflichtet seien, uns die Interessen der Kunden zu eigen zu machen, dass wir diese nicht berieten . Dass sich unsere Rolle vielmehr darauf beschränke, Trades zwischen sogenannten «Big Boys» – also großen institutionellen Anlegern – zu vermitteln. Mir fielen dazu zwei Dinge ein. Erstens: Das hatte mir niemand gesagt. Ich beriet jeden Tag Kunden und sagte ihnen, was meines Erachtens in ihrem Interesse war. Weshalb wurden Kunden überhaupt von Mitarbeitern im Sales betreut, wenn wir nur Makler sein sollten, die passende Käufer und Verkäufer zusammenbringen? Und zweitens: Das Argument «Wir sind schließlich alle Big Boys» – die Märkte böten also allen Teilnehmern die gleichen Chancen – klang für mich hohl. Es lag doch wohl auf der Hand, dass Goldman in jedem Fall am besten informiert war, weil das Unternehmen beiden Parteien, dem Käufer wie dem Verkäufer, in die Karten schaute.
    Ich sah zu Taku, der immer noch schlief. Ich stupste ihn an und sagte: «Also, ich geh dann mal. Danke für die Einladung.» Ich fuhr mit dem Taxi in mein Hotel zurück und blieb bis in die frühen Morgenstunden wach, um mir die übrigen Anhörungen auch noch anzusehen. Obwohl ich erschöpft war, hockte ich bis zum Sonnenaufgang vor dem Fernseher.
     
    Mein Termin am nächsten Tag war ein formelles Meeting mit Takus Boss, dem Geschäftsführer der Fondsgesellschaft. Ich war diesem Mann im Lauf der Jahre etliche Male begegnet: Er war mittleren Alters und eine sehr würdige Erscheinung. Er trat immer sehr reserviert auf, wie es seine Kultur verlangte.
    Es war ein wichtiges Meeting, also verbrachte ich den Morgen in der örtlichen Niederlassung von Goldman Sachs und ging mit dem dortigen Partner, einem Einheimischen, die wichtigsten Gesprächspunkte durch. Er arbeitete schon ziemlich lange bei Goldman, umso erstaunlicher war es, dass er sich kaum mit der Fondsgesellschaft und ihren Mitarbeitern auskannte. Nicht nur ich fragte mich: Wieso ist so einer Partner? Aber ich erfuhr dann, dass er aus dem Trading kam, und Trader sind nun einmal bekanntlich eher etwas introvertiert – sie steuern Risiken für die Firma und haben nicht viel mit Kunden zu tun. Er war einfach gerade der höchstrangige Mitarbeiter in der Niederlassung. Dennoch dürfte es ein wenig peinlich für ihn gewesen sein, dass ich, ein südafrikanischer Jude, der in New York lebte, ihn mit dem Geschäftsführer des Fonds bekanntmachen würde, obwohl dessen Büro nur

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