Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Milliarden Dollar gehandelt, und ich habe nie einen Blitzcrash verursacht. Für einen Außenstehenden mochte sich das Mini-Desaster einfach erklären lassen: Ein massiver Verkauf löste eine fatale Verkaufswelle aus. Auf mich dagegen wirkte es unheimlich – ein weiteres Anzeichen dafür, dass die globalen Kapitalmärkte aus dem Gleichgewicht geraten waren.
Die Investoren sahen das genauso. Die Tatsache, dass der Blitzcrash der Anklageerhebung gegen Goldman Sachs so rasch auf dem Fuß folgte, machte die Kunden nervös. Und vor lauter Nervosität ließen sie die Finger von Börsengeschäften. Sie erstarrten. Wieder einmal herrsche tote Hose. Bei Goldman Sachs setzte eine neue Entlassungsrunde ein. Die Stimmung im Handelssaal war düster.
Im Juli legte Goldman Sachs die Klage in einem außergerichtlichen Vergleich bei. Das Unternehmen erklärte sich zu einer Zahlung in Höhe von 550 Millionen Dollar bereit. 300 Millionen Dollar sollten in die Staatskasse fließen und 250 Millionen Dollar an Investoren. Die Klage gegen Fabrice Tourre war davon nicht betroffen, was den Eindruck bestärkte, die Firma lasse ihn im Regen stehen. Was die Beschuldigungen der SEC anlangte, so gab Goldman keinerlei Fehlverhalten zu, bestritt es aber auch nicht. Viele Leute fanden das sehr sonderbar. Was war ein Vergleich, bei dem man 550 Millionen Dollar abdrückte, anderes als ein unausgesprochenes Schuldeingeständnis? Die PR-Leute bei der US-Börsenaufsicht bejubelten den Vergleich als einen großen Sieg. Es war die höchste Strafe, die die SEC jemals verhängt hatte. Kritische Stimmen hingegen sagten: «Dies ist in Wahrheit ein Sieg für Goldman Sachs, denn sie sind ungeschoren davongekommen.» Für den einfachen Durchschnittsverdiener sind 550 Millionen Dollar natürlich eine unglaublich hohe Summe. Für ein Unternehmen das allein mit Wertpapieren 5 Milliarden Dollar pro Quartal umsetzte, waren 550 Millionen Dollar so etwas wie ein Strafzettel fürs Falschparken.
Nach dem Vergleich fühlten sich viele Leute bei Goldman Sachs erleichtert. Vielleicht, so dachten sie, können wir, nachdem dies alles aus dem Weg geräumt ist, ein neues Kapitel aufschlagen. Doch die Geschäfte kamen nicht in Schwung. Der Ruf des Unternehmens hatte definitiv Schaden genommen. Eine Menge Kunden wollten bei Geschäften mit Goldman Sachs keine Kontrahentenrisiken mehr eingehen. Sie waren nur noch bereit, börsennotierte, transparente Produkte zu kaufen, die über Clearinghäuser abgewickelt wurden. Auf diese Weise wäre das Geld des Kunden sicher und das Marktrisiko gleich null, ganz egal, was mit der Bank geschah, mit der man tradete. Das war nicht der Fall bei «over the counter» , also außerbörslich gehandelten Finanzderivaten oder strukturierten Produkten, bei denen man dem Schicksal der Bank, mit der man Abschlüsse machte, ausgeliefert war.
Mit wachsendem Ertragsdruck nahm das fragwürdige Gebaren unter den Goldman-Sachs-Mitarbeitern nur noch zu. Man scheute sich nicht, den eigenen Kollegen Kunden abzujagen oder nichtsahnende Kunden zu Geschäften zu überreden, die nicht in ihrem Interesse waren. Leute, die während der Krise in Führungspositionen aufgestiegen waren – wobei sie vor allem wegen ihrer Fähigkeit, Umsatz zu machen, weniger wegen ihrer Führungsqualitäten befördert wurden –, festigten jetzt ihre Macht. Richtig und falsch waren Maßstäbe der Vergangenheit; die neue Losung lautete: GC oder nicht GC? Die «Gross Credits» waren das Einzige, was interessierte. Hatte jemand ein «Elefanten-Geschäft» abgeschlossen oder nicht? Darüber redeten die Mitarbeiter, daran maßen sie sich, und danach wurden sie bezahlt.
Die etwas Umsichtigeren unter ihnen müssen gewusst haben, was das für einen Eindruck machen würde. Nach den Anhörungen im Senat untersagte Paul Conti, das Kürzel «GC» in internen E-Mails zu benutzen, aus Sorge, solche Nachrichten könnten – wie die des «fabelhaften Fab» – eines Tages öffentlich bekannt werden. Oder was genauso schlimm wäre, ein Kunde würde eine solche E-Mail zu Gesicht bekommen und plötzlich begreifen, dass ihm diverse versteckte Gebühren berechnet wurden.
Jack Welch, der legendäre ehemalige Chef von General Electric, schrieb, dass ein Unternehmen, sobald es skrupellose Mitarbeiter dafür belohne, mit unsauberen Methoden Profit zu machen, seine anständigen Mitarbeiter demoralisiere und weniger charakterfesten Mitarbeitern, die von sich aus nicht wüssten, wie man sich korrekt
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