Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
Vom Netzwerk:
zehn Blocks entfernt lag.
    Wir gingen zu dem Treffen. In unserer Vorbereitung hatten der Partner und ich mehrere mögliche Szenarien den Verlauf des Gesprächs betreffend durchgespielt. Wir konnten mit Sicherheit davon ausgehen, dass die SEC ein Thema wäre, aber wir wussten nicht, wie sie die Sache aufgenommen hatten. Nach dem üblichen Austausch von Höflichkeiten kam der Chef der Fondsgesellschaft sofort auf die Vorwürfe der SEC gegen Goldman Sachs zu sprechen. Das ging schneller als erwartet.
    Der sonst so zurückhaltende Chef des MultiMilliarden-Dollar-Fonds nahm kein Blatt vor den Mund. Er sah zuerst den Partner an und dann mich und sagte: «Ich will Ihnen reinen Wein einschenken. Machen Sie sich keine Sorgen. Wir werden weiterhin Geschäfte mit Ihnen machen. Aber Tatsache ist, dass wir Ihnen schon ziemlich lange nicht mehr über den Weg trauen, weil wir Goldman Sachs für einen Hedgefonds halten. Wir wissen, dass Ihnen nur Ihre eigenen Interessen am Herzen liegen. Aber wir wissen auch, dass Sie die klügsten Köpfe an der Wall Street sind, und manchmal sind wir eben gezwungen, mit Ihnen Geschäfte zu machen.»
    Mir wäre beinahe die Kinnlade runtergefallen. Er fuhr fort. Er zeigte durchaus Verständnis für Goldman Sachs. Er teilte unsere Ansicht, dass die Anhörungen etwas von einer Hexenjagd hatten. Er sagte, dass er selbstverständlich wisse, dass Goldman Sachs seine eigenen Interessen verfolge. Das solle niemanden überraschen. Das ist schließlich nicht verboten. Das Unternehmen bringe lediglich Käufer und Verkäufer zusammen – und oft sei Goldman selbst entweder das eine oder das andere. «Aber», so fuhr er fort, «wir sind nicht so naiv zu glauben, dass Goldman es immer gut mit uns meint.»
    Wir sprachen dann auch ein bisschen über die Lage auf den Märkten, und der Goldman-Partner, der endlich eine Gelegenheit sah, sich einzubringen, gab die Einschätzungen Lloyds in dieser Frage wieder. Der Kunde sagte – in recht höflicher und zurückhaltender Weise –, dass es ihn in Anbetracht der langjährigen Geschäftsbeziehungen zu Goldman Sachs doch ein wenig wundere, dass Lloyd Blankfein ihm dies nicht persönlich mitgeteilt habe. Ich zuckte zusammen. Nachdem wir uns mit Handschlag verabschiedet hatten, gingen wir. Ich war total verunsichert. Ich hasste es, wenn man mir nicht vertraute. Spontan dachte ich: «Wie können wir das wieder in Ordnung bringen? Wie können wir dafür sorgen, dass uns dieser Kunde wieder vertraut?»
    Aber der Partner reagierte nur erleichtert. «Gott sei Dank brechen sie die Geschäftsbeziehungen mit uns nicht ab», sagte er. «Ein gutes Ergebnis! Ich hatte befürchtet, dass es viel schlimmer kommen würde.»
    Ich schüttelte den Kopf.
    In den folgenden Tagen schüttelte ich noch häufiger den Kopf, während ich versuchte, mich auf die neue Wirklichkeit einzustellen. Da war ein Partner von Goldman Sachs, der seine Erleichterung darüber zum Ausdruck brachte, dass ein Kunde auch weiterhin Geschäfte mit uns machte, obwohl der Chef dieses Unternehmens nicht glaubte, dass wir uns ihm gegenüber immer anständig verhielten. Partner sahen sich gern als Diener der Firma, aber dieser Partner handelte in keiner Weise im Interesse der Firma. Es demoralisierte mich, dass eine hochrangige Führungskraft so vollkommen eigennützig und kurzsichtig handelte. Zwischen den Zeilen sagte er: «Ich krieg keinen Ärger. Ich verdiene weiterhin gut. Und wenn dieser Kunde in fünf Jahren keine Geschäfte mehr mit uns macht – nun, dann bin ich wahrscheinlich sowieso nicht mehr hier.» Vielleicht war dies ein Einzelfall, aber es war nicht das, was ich von einem Partner erwartete.
    Was war aus den «Vierzehn Grundsätzen» geworden, insbesondere aus Nummer zwei: «Unsere Aktivposten sind unsere Leute, unser Kapital und unser Ruf. Und kein Verlust wiegt schwerer, als der des Letzteren»? Der schwerwiegende Verlust des guten Rufs – er war Wirklichkeit geworden. Jeder Mitarbeiter von Goldman Sachs musste sich mit der unerfreulichen Tatsache abfinden, dass man ihm nicht mehr vertraute. Ein mehr als frustrierender Gedanke, und ich erwartete im Grunde von der Führungsspitze des Unternehmens, dass sie alles in ihrer Macht Stehende tat, um die Sache wieder in Ordnung zu bringen. Aber würde sie das wirklich tun?
     
    Sobald die Beschuldigungen der SEC über die Nachrichtenticker liefen, geriet Goldmans Kurs gehörig ins Schlingern, nachdem das Unternehmen seit März 2009 gerade wieder Fahrt aufgenommen

Weitere Kostenlose Bücher