Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
nebenher ein bisschen von zu Hause aus. Wir hatten uns bereits per E-Mail locker zum Abendessen verabredet. Ich rief ihn an und freute mich, seine sympathische Stimme zu hören.
Ich mochte Taku. Wir hatten beide als Ausländer in den USA studiert. Wir hatten uns beide in unsere Wahlheimat verliebt. Er war jemand, mit dem ich offen sprechen konnte. Wir sprachen natürlich sofort über den Sturm, der über Goldman hinwegfegte. Wir waren beide extrem gespannt, wie der Senat mit Lloyd und den anderen umgehen würde und wie sich Goldman verteidigen würde. Der Sender C-SPAN übertrug die Anhörungen live, die an diesem Abend, Ortszeit, beginnen würden. Plötzlich hatten wir beide die gleiche Idee: Weshalb sollten wir unseren Plan, am Abend essen zu gehen, nicht fallenlassen und stattdessen die Anhörungen im Fernsehen verfolgen?
«Warum kommen Sie nicht zu uns nach Hause?», fragte Taku. «Wir essen eine Kleinigkeit, während wir fernsehen.»
Ich checkte in mein Hotel ein, machte ein kurzes Nickerchen, dann duschte ich mich und fuhr zum Haus von Takus Mutter. Ich wusste, dass sie eine ziemlich wohlhabende Familie waren, aber ich hatte keine Ahnung, was mich erwartete. Es zeigte sich, dass ihnen ein achtstöckiges Mehrfamilienhaus in einem schönen Stadtviertel gehörte, und diverse Mitglieder der Familie bewohnten die verschiedenen Etagen. Es war ein solide gebautes Haus, nicht im feudal-protzigen New Yorker Stil, sondern eher apart und schlicht. Die Zimmer waren weitläufig und offen – und die Decken hoch. Taku hieß mich in der Wohnung seiner Mutter willkommen. Mit Erstaunen bemerkte ich zwei Bedienstete, einen Mann und eine Frau, die schweigend, aber aufmerksam bereitstanden. Taku lächelte. «Setzen Sie sich!», sagte er.
Obwohl die Anhörung noch nicht begonnen hatte, lief auf dem Flachbildschirm bereits C-SPAN. Einer der Bediensteten trug kleine Speisen auf, zuerst eine Schale Obst, dann eine Platte mit exotischen Vorspeisen. Immer neue Gaumenfreuden wurden serviert. Alles schmeckte unglaublich köstlich. Dann betrat Takus Mutter das Zimmer, eine vornehme Dame im traditionellen Gewand. Ich gab ihr höflich die Hand. Alles wirkte plötzlich mehr als nur ein bisschen surreal: Es war so, als besuchte ich einen Freund und nicht einen meiner wichtigsten Kunden. Und gleich würden wir mit ansehen, wie Goldman Sachs von dem Ausschussvorsitzenden, Senator Carl Levin, in die Mangel genommen würde. Ich fühlte mich wohl und unwohl zugleich: Ich freute mich, die Anhörung in einer so exotischen Umgebung (ausgerechnet dem Haus der Mutter meines Kunden!) und in einer behaglichen, luxuriösen Atmosphäre verfolgen zu können, aber ich machte mir Sorgen um meine Firma.
Die nächsten Stunden verliefen genauso seltsam, wie ich befürchtet hatte. Während Taku und ich wie gebannt am Fernseher hingen, lief seine Mutter dauernd rein und raus und lenkte uns mit ihrem Geplauder ab. Ich musste versuchen, höflich zu sein und mich gleichzeitig auf den Bildschirm zu konzentrieren.
Ich: Ja, mein Flug war ausgezeichnet, Mrs. Taku. Sie haben übrigens eine wunderschöne Wohnung …
Levin im Fernsehen (einen meiner Kollegen anfahrend) : Sie bereuen nichts? Sie haben aber eine Menge zu bereuen …
Levin hatte sich vorgenommen, Krach zu schlagen. Unter den anderen Senatoren, die sich zu Wort meldeten, waren einige sehr kritisch und kannten sich in Finanzfragen gut aus, andere argumentierten unsachlich und waren geradezu unglaublich schlecht informiert. Die Goldman-Zeugen – CFO David Viniar sowie der frühere Hypotheken-Chef Dan Sparks und drei seiner ehemaligen Mitarbeiter, darunter auch der «fabelhafte Fab» – wirkten angespannt, was man von Zeugen in einem live im Fernsehen übertragenen Untersuchungsausschuss nicht anders erwarten kann. Es kam zu spektakulären Szenen. Einmal zitierte Levin, während er Sparks in die Mangel nahm, wörtlich aus einer internen Goldman-E-Mail von Sparks’ Vorgesetztem, wo es um eine Obligation namens Timberwolf ging: «O Mann, Timberwolf war echt ein Scheiß-Deal.» Dann fragte er Sparks: «Wie viel von diesem Scheiß-Deal haben Sie nach dem 22. Juni 2007 an Ihre Kunden verkauft?» Levin schien nicht genug zu kriegen von dem Sch-Wort, das er mindestens fünfmal wiederholte, live im internationalen Fernsehen, in einer Sitzung des Senats der Vereinigten Staaten. Scheiß-Deal. Scheiß-Deal. Scheiß-Deal. Wieder und immer wieder.
Zu später Stunde in einem gemütlichen Wohnzimmer, zehntausend
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