Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
der Firma in einer neuen Welt, in der ich mich alt und fremd fühlte. Aber ich war auch stolz darauf, dass ich schon so lange dabei war.
Im September 2010 ereignete sich trotz allem etwas Großartiges.
Die Greencard. Endlich hatte ich sie! Vierzehn Jahre nachdem ich mit meinem starken südafrikanischen Akzent als Studienanfänger in Amerika gelandet war, hatte ich jetzt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis für die Vereinigten Staaten von Amerika. Was für ein Gefühl, den Briefumschlag zu öffnen und die Karte zu sehen! Es war das reine Glück. Gebürtige US-Amerikaner ahnen nicht, wie schwierig es ist und wie lange es dauert, um diese magische Karte zu bekommen. Und ich war elektrisiert. Meine Wahlheimat war gut zu mir gewesen, und ich hätte nicht stolzer sein können. Lex – mein Freund aus Kindertagen – hatte sie ebenfalls bekommen. Jetzt konnten wir uns beide dauerhaft in diesem großartigen Land niederlassen. Als wir uns ein paar Wochen später trafen, stießen wir auf uns an. Wir waren stolz darauf, dass wir es so weit gebracht hatten und in Amerika bleiben konnten. Johannesburg schien jetzt weit weg zu sein.
Ich habe mir von jeher Mentoren gesucht. Weil meine Textbeiträge immer größere Aufmerksamkeit auf sich zogen, suchte ich Rat und Unterstützung bei einem hochrangigen Partner, der sich aufrichtig für mein berufliches Weiterkommen zu interessieren schien. Er mochte meine Artikel, und das bedeutete, dass er meine Ideen mochte. Als hochrangiger Partner war er gut im Bilde über alles, was im Unternehmen geschah, und seines Erachtens hatte ich gute Chancen, bald die nächste Stufe der Karriereleiter zu erklimmen und zum Managing Director ernannt zu werden. Er gab mir auch ein paar Tipps, was ich seines Erachtens tun konnte, um den Karriereschritt zu befördern. «Ich habe viel Positives gehört», sagte er. «Sie müssen sich folgendermaßen positionieren.»
Im Dezember würde ich zweiunddreißig werden. Ich war seit vier Jahren Vice President. Das Durchschnittsalter für die Beförderung zum Managing Director war Mitte dreißig, Ende vierzig. Es gab Leute wie Dave Heller, die es schon mit unter dreißig geschafft hatten. Von daher war es nicht undenkbar, dass ich bald befördert würde, wenn es auch etwas früh wäre. Mein Mentor sagte auch: «Die Guten belegen hier immer den ersten Platz, aber sie brauchen meistens länger dafür» – was bedeutete, dass die Schlechten eine gute Figur machten und schnell aufstiegen, aber die Guten hielten sich schließlich länger als sie.
Tatsächlich habe ich mich nie besonders gut aufs Taktieren verstanden. Ich wollte immer – vielleicht war das dumm –, dass meine Arbeit für sich selbst spricht. Aber ich wusste, dass ich in der Welt von Goldman Sachs, in der ich jetzt lebte, unbedingt aktiv meine Interessen verfolgen, Fürsprecher finden und den Mund aufmachen musste, um das einzufordern, was ich wollte. Aus diesem Grund freute ich mich, einen Senior Partner als Mentor zu haben.
Ein paar Wochen war ich bei ihm zu einer Besprechung. Hinterher fragte er: «Und, wie läuft es sonst so? Geht’s gut voran?» Er erwähnte meine letzten Marktkommentare und sagte einmal mehr: «Ihre Beiträge sind ausgezeichnet – wirklich hervorragend.»
Ich bedankte mich. «Aber ich muss sagen …» Ich zögerte.
«Ja?», fragte er.
«Es ist für mich nicht ganz einfach, von meiner Chefin zu hören, dass diese Beiträge praktisch ohne Bedeutung sind», sagte ich, und dann erzählte ich ihm von meinem unbefriedigenden Gespräch mit Beth.
Er war sichtlich überrascht, dies von mir zu hören. Er wurde geradezu wütend. «Gary ist sehr beunruhigt über diese Dinge», sagte er. Er erzählte, Gary Cohn habe gegenüber mehreren Partnern seine Sorge zum Ausdruck gebracht, die guten Mitarbeiter, die «Kulturträger», seien nicht so erfolgreich wie die Leute, die Eis in der Sahara verkauften (also wertgeminderte Positionen für nervöse Kunden auflösten) und enorm hohe Gebühren einstrichen. Mein Mentor sagte, es sei Gary sehr wohl aufgefallen, dass Goldman während des Hypothekenbooms und der anschließenden Krise eine Menge Leute dafür bezahlt habe, Eis zu verkaufen, und zugleich viele falsche Leute in Führungspositionen gehievt habe. «Gary gefällt das gar nicht, und er setzt alles daran, das abzustellen», sagte er mir. «Ich werde mit jemandem darüber sprechen.»
Zwei Tage später, um 7 : 45 Uhr, bat mich Beth in ihr Büro.
Mein erster Gedanke war, dass ihr
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