Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
meine Beschwerde gegenüber dem Partner zu Ohren gekommen war und dass sie mir dafür den Kopf waschen wollte. Ich muss sagen, dass ich mir keine großen Gedanken machte. In Beths Liebe-Hass-Spektrum von Leuten rangierte ich wahrscheinlich irgendwo in der Mitte: Ich hatte zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, dass unser Arbeitsverhältnis schlecht war. Da sie wusste, dass der Partner als Mentor meine Beförderung zum Managing Director ebnen sollte, fragte ich mich, ob sie ihre Macht als meine Vorgesetzte demonstrieren und genau wissen wollte, was ich in diesem Gespräch gesagt hatte. Als ich ihr Büro betrat, erwartete ich, dass sie so etwas Ähnliches sagen würde wie: «Hören Sie, Ihr Mentor hat mit mir gesprochen, und Sie sollten aufpassen, wie Sie die Dinge darstellen. Was Ihre Beförderung zum Managing Director anlangt, so sehen wir das in etwa zwei Jahren für Sie. Konzentrieren Sie sich darauf und unterlassen Sie solche Spielchen.»
Aber es kam ganz anders. Sie lächelte und sagte zu meiner völligen Überraschung: «Wie würde es Ihnen gefallen, nach London zu gehen?»
Sie schien mit sich selbst sehr zufrieden zu sein, als hätte sie mir ein tolles Geschenk gemacht. Aber mir gefiel die Idee überhaupt nicht. Ich wollte nicht weg. Ich liebte New York. Ich liebte Amerika. Und ich glaubte, dass ich hier gute Karrierechancen hatte. Die Bedingungen waren hart, aber ich hatte das Gefühl, es schaffen zu können.
Mein Gesicht muss meine Unzufriedenheit verraten haben. «Ich hab nie ernsthaft darüber nachgedacht», sagte ich.
«Wir wollen in Europa ins Geschäft mit US-Aktienderivaten einsteigen», sagte sie begeistert, «und wir glauben, dass Sie die richtige Person sind, um dieses Geschäft aufzubauen. Wir glauben, dass Sie am richtigen Punkt Ihrer Karriere sind. Sie sind verantwortungsbewusst, Sie haben eine Menge Erfahrungen mit Derivaten, und wir glauben, dass Sie reif genug sind, um Europa und den Nahen Osten zu bereisen und dieses Geschäftsfeld erfolgreich zu erschließen.»
Ich konnte ihre Begeisterung leider nicht teilen. Beth befand sich damit in der unangenehmen Lage, einem Undankbaren einen Preis aufzwingen zu müssen. Ihr Lächeln gefror. «Wir hätten auch einen anderen dafür auswählen können», sagte sie.
Paul Conti betrat den Raum. Als Co-Heads der Abteilung teilten sich er und Beth ein großes Büro. Ich erinnerte mich daran, dass er eine Zeitlang in der Londoner Niederlassung gearbeitet hatte, und deshalb fragte ich: «Conti, Sie waren sechs Jahre in London – was halten Sie davon?»
Beth blickte verärgert drein. Mir kam plötzlich der Gedanke, dass sie sich allein mit mir getroffen hatte, um mir zu verstehen zu geben, dass sie mich für diesen Posten vorgeschlagen und sich dafür eingesetzt hatte. Sie wollte Dankbarkeit, sie wollte Anerkennung, und die bekam sie nicht. Stattdessen holte ich eine dritte Meinung ein.
Conti setzte sich. «Mann, das ist eine Superchance», sagte er. Er war ein Verkäufer, und er versuchte mir etwas zu verkaufen. «Ich kann verstehen, dass Sie hier zufrieden sind, aber dieser Wechsel könnte gut für Ihre Karriere sein.»
Doch mit jedem seiner Worte wuchs mein Unbehagen. Beth sprach von einem dreijährigen Engagement. Das Erste, woran ich denken musste, waren meine Hoffnung und mein Plan, meine Mutter in die Vereinigten Staaten zu holen – Johannesburg war mit seiner hohen Kriminalitätsrate eine gefährliche Stadt geworden. Ich trug mich bereits seit einigen Jahren mit diesem Gedanken. Ich hatte meiner Schwester geholfen, nach Amerika zu kommen. Mein Vater hatte die Apothekerprüfung gemacht und war ebenfalls hierhergekommen. Meine Mutter zögerte noch. Meine Versetzung nach London könnte das ganze Vorhaben zunichtemachen.
«Hören Sie, der größte Teil meiner Familie lebt hier», sagte ich.
«Aber Sie sind Single», sagte Conti. «Das kann doch nicht so schwer für Sie sein. London ist nur sechs Flugstunden entfernt.»
Ich schüttelte den Kopf. «Ich weiß nicht», sagte ich. «Ich brauche etwas Zeit, um darüber nachzudenken – ich bin mir nicht sicher, ob das mein Fall ist.»
Beth runzelte die Stirn. «Sie müssen mir sagen, ob es Ihnen ernst ist», sagte sie. «Ich schicke Sie nicht zu einem Treffen mit Daffey nach London [der zu der Zeit dort die Abteilungen Securities und Global Equity Sales leitete], wenn es Ihnen nicht ernst ist. Es gibt viele andere Leute, die scharf auf diesen Job sind – die alles dafür tun würden, ihn zu
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