Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
Vom Netzwerk:
kriegen.»
    Wie der Zufall es wollte, hielt sich in dieser Woche gerade eine gute Bekannte von mir in New York auf, die als MD in der Londoner Niederlassung arbeitete, Georgette. Ich lud sie zum Mittagessen ein, um sie zu fragen, was sie davon hielt.
    Ich kannte Georgette, seitdem wir beide als Analysten bei Goldman angefangen hatten. Anschließend waren wir gleichzeitig zu Futures-Tradern befördert worden, und in dieser Zeit telefonierten wir fast täglich miteinander. Normalerweise kam sie zweimal jährlich in die Vereinigten Staaten, sodass wir uns mehrfach getroffen hatten. Sie war dunkelhaarig, gut aussehend und immer elegant gekleidet. Conti hatte sie in London stark gefördert. Es hieß, sie sei mehr Conti als Conti selbst. Auch war das Gerücht über den Atlantik gedrungen, sie sei als Chefin gnadenlos machtversessen und schrecke nicht davor zurück, gegen Kollegen zu intrigieren, um sie abzusägen oder ihre Versetzung zu erreichen. Ein anderer Managing Director hatte ihr den Spitznamen «die Schwarze Witwe» gegeben. Ich fand das alles merkwürdig: Wir hatten uns immer gegenseitig respektiert und waren gut miteinander klargekommen.
    Aber als ich Beths Angebot beim Mittagessen erwähnte, war Georgette völlig verdutzt. Ich hatte angenommen, sie wäre eingeweiht, hätte vielleicht sogar an dem Auswahlverfahren mitgewirkt, aber jetzt war klar, dass sie nicht dem engeren Führungszirkel angehörte, der davon wusste. Unverkennbar missfiel es ihr, dass sie von mir davon erfuhr, aber sie versuchte, gute Miene zum bösen Spiel zu machen: «Nun, ich habe so etwas läuten hören», sagte sie. Schon bald sollte ich erfahren, wie sehr sie die Vorstellung, dass jemand in ihr Revier eindrang, als Bedrohung empfand.
    Aber in diesem Moment vertraute ich ihr und glaubte, aufrichtig sein zu dürfen. Ich erzählte ihr von meiner familiären Situation und meinen Bedenken gegen den Wechsel. Ich sagte aber auch, dass ich befürchtete, dass ich auf Beths Angebot unklug reagiert hätte.
    Georgette wirkte völlig ruhig und gelassen – man konnte sich wirklich nicht vorstellen, wie sie zu dem gehässigen Spitznamen gekommen war. «Nun, ich hätte auch so reagiert», sagte sie. «Wenn du das Gefühl hast, überrumpelt zu werden, wie sollst du dich dann schon verhalten?»
     
    Als ich am nächsten Morgen zur Arbeit kam, suchte mich Corey Stevens an meinem Schreibtisch auf und sagte: «Ich muss Sie sofort sprechen.» Er zog mich in ein Besprechungszimmer und schloss die Tür. «Sie haben Beth wirklich sehr verärgert», sagte er.
    «Ich habe so etwas befürchtet», gestand ich.
    «Sie hat den Eindruck, dass Sie undankbar sind», fuhr Corey fort. «Das hat sie gekränkt. Das könnte Ihnen viel Ärger einbringen. Sie sollten es sich nicht mit ihr verscherzen, denn sie vergisst nicht so schnell. Sie müssen das umgehend aus der Welt schaffen, entweder indem Sie ihr sagen: ‹Tut mir leid, aus familiären Gründen kann ich das nicht machen›, oder aber Sie bitten sie unverzüglich, diplomatisch und ernsthaft um Verzeihung und sagen, Sie werden das Angebot ernsthaft in Erwägung ziehen und Sie seien ihr dankbar dafür, dass sie an Sie gedacht und sich aus dem Fenster gelehnt habe, um Sie vorzuschlagen, wo sie ebenso gut jemand anders hätte empfehlen können.»
    Ich fand später heraus, dass Corey für den Posten in Betracht gezogen worden war und ihn auch gern gehabt hätte. Aber er war mittlerweile Managing Director und daher wohl als Führungskraft in New York unabkömmlich. Er wollte nun wenigstens helfen, dass ich den Job bekam.

Kapitel 10
    London Calling
    Dann kam die Kriecherei.
    Ich stellte meine familiären Bedenken einstweilen zurück, und beschloss, diese Chance ernsthaft in Erwägung zu ziehen – oder es zumindest überzeugend vorzuspielen – und klein beizugeben.
    Das Problem war, dass Beth mir keine Gelegenheit dazu gab. Sie war unglaublich nachtragend. Jedes Mal, wenn ich sie um zehn Minuten Gesprächszeit bat, sah sie mich an, als wäre ich eine Fliege auf ihrer Pizza. «Sprechen Sie mit Brigitta, meiner Assistentin», sagte sie. «Machen Sie mit ihr einen Termin aus.»
    Als sie dann schließlich das Gefühl hatte, mich ausreichend gedemütigt zu haben (und da ihr Schreibtisch im Handelssaal nur vier Plätze von meinem entfernt war, hatte sie mich sehr gut im Blick), gab sie nach. Beth verließ ihren Platz und ging in ihr Büro. Dann schickte sie mir eine E-Mail: «Ich hätte jetzt ein paar Minuten Zeit.» Ich

Weitere Kostenlose Bücher