Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
es mir Spaß machen würde.
Und es funktionierte. 2005 drehte sich der Markt, und unser kleines Derivatives-Sales-Team – Laura, Connors und ich – arbeitete auf Hochtouren. Die akribische Feinarbeit, die ich von Corey gelernt hatte, trug dazu bei, dass unsere Abteilung ihre Zuwächse konsolidieren konnte. Connors und ich waren ein gutes Team. Ich kümmerte mich um die Details, und Connors erarbeitete die Strategie und bezirzte rund um die Uhr die Kunden.
Dann wurde Daffey versetzt.
Es passierte im Frühjahr 2005, einem Wendepunkt für die Wall Street. Die Rezession ging zu Ende, der Immobilienmarkt begann Fahrt aufzunehmen. Die Stimmung an den Finanzmärkten wurde langsam besser. Im Handelssaal von Goldman Sachs führte Matt Ricci, ein ehemaliger Yale-Basketballer und sehr draufgängerischer Partner, den Angriff an. Jeden Freitagmorgen stand Ricci auf dem Podium am Rand des Handelssaals und wandte sich mit einer – manchmal mitreißenden, manchmal peinlichen – Rede an seine Truppen. Auf dem Podium gab es ein Mikrophon, das in die Lautsprecheranlage eingespeist wurde, sodass man in jeder Ecke des riesigen Handelssaals Riccis Stimme hören konnte, auch wenn man ihn nicht sah.
Ricci liebte Abkürzungen. Einer seiner Favoriten stammte aus dem Filmdrama Glengarry Glen Ross : A. B. C. – «Always Be Closing»: «Mach immer einen Abschluss»! (Möglicherweise war ihm nicht ganz klar, dass der Film und das zugrundeliegende Theaterstück eine dunkle Satire auf unethische Geschäftspraktiken ist.) Ebenfalls liebte er G. T. B. – «Get the Business». Außerdem gab es die Sportphrasen: Lasst uns offensiv spielen! Lasst uns das über die Linie bringen! Wir müssen das Spiel bis zum Ende des Viertels hochhalten – oder uns bis zum Abpfiff durchspielen …
Er prägte auch einige Begriffe, die sich im Unternehmen etablierten. Einer davon war «Elephant Trades» – Transaktionen, die der Firma über eine Million Dollar einbrachten. Ricci war eine imposante Erscheinung, groß gewachsen, immer im Anzug, selbst am «Casual Friday». Er liebte es, auf dem Podium zu stehen und zu sagen: «Lasst uns rausgehen und ein paar Elefanten jagen! Schnappen wir uns die größten Transaktionen!» Die Meinungen über ihn gingen auseinander. Manche Leute fanden seine Ansprachen motivierend, andere eher nicht.
Ricci war auch derjenige, der das Thema «Gross Credits» (GC), also die Gewinnspanne eines Geschäfts, in den Vordergrund rückte. Viele Jahre lang beurteilten die Manager bei Goldman Sachs die Leistung ihrer Angestellten nach mehreren Kriterien – professionellen wie menschlichen. Am wichtigsten war natürlich: War jemand auf Gewinn ausgerichtet, brachte er Umsätze? Das ist in jeder Organisation so, deren primärer Zweck es ist, Profite zu verbuchen. Doch ein wichtiges anderes Kriterium – und das ist es, was Goldman Sachs lange Zeit von anderen Banken unterschied – betrachtete den ganzen Menschen: War jemand eine Führungspersönlichkeit, die jüngeren Angestellten als gutes Beispiel diente? War jemand ein «Kulturträger», der Zusammenarbeit, Teamwork und die Werte des Unternehmens verkörperte und weitertrug? Lagen der Person die langfristigen Interessen der Organisation am Herzen? War er oder sie so weitsichtig, schlechte Geschäfte, die auf lange Sicht dem Ruf der Firma schaden würden, auszuschlagen?
Mit seiner Betonung der GCs führte Matt Ricci eine Kultur der Leistungsbewertung ein, die vor allem sachlich-statistisch war: «Welche Zahl steht neben seinem Namen?» Von den kumulativen jährlichen GCs eines Mitarbeiters leitete sich seine sogenannte «Attribution» für dieses Jahr ab. Die GCs und die Attribution wurden zu einem Thema, über das die Leute eine Zeitlang weitaus mehr besorgt waren, diskutierten und stritten als über Börsen und Kunden. Es liegt in der Natur des Menschen: Wenn man an einer Zahl gemessen wird, dann unternimmt man alles, damit diese Zahl so groß wie möglich ist.
Matt Ricci war der Mann, der entschied, dass Michael Daffey, der ein großer Motivator für den Handelssaal gewesen war, nach London versetzt wurde.
Es war eine Maßnahme, die uns allen missfiel, aber doch nachvollziehbar war. Im Investmentbanking gilt: Je weiter eine Niederlassung von der Unternehmenszentrale entfernt ist, desto stärker ist die Unternehmenskultur dort verwässert. Und die Niederlassung in London, die dort als amerikanische Bank im Wettbewerb mit europäischen Banken stand, brauchte dringend einen
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