Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
untrügliches Erkennungsmerkmal für einen Partner war Sonnenbräune – auch im Winter.
Und wie kam es dazu, dass ich mich in einem Whirlpool in Las Vegas befand? Für mich hatte sich eine weitere große Veränderung ergeben, zu einer Zeit, als die Märkte nicht ganz so spritzig waren. Corey und ich arbeiteten zusammen wie eine gut geölte Maschine, und wir handelten Milliarden von Dollar in Gestalt von Futures auf Aktien, Rohstoffe, festverzinsliche Papiere und Währungen. Wir hatten unsere Produktpalette ausgeweitet und boten nun auch Optionen an (eine weitere Form von Derivaten, mit der der Käufer das Recht, aber nicht die Pflicht erwirbt, das zugrundeliegende Wertpapier zu einem zukünftigen Termin zu einem festgesetzten Preis zu kaufen oder zu verkaufen). Wir handelten ausschließlich als Auftragnehmer – also für einen Kunden – und berechneten feste Provisionen. Wir telefonierten mit den Handelsabteilungen der größten Investmentfonds, Hedgefonds und Pensionsfonds der Welt, die alle unseren Anlagestrategien vertrauten.
Mitte 2004 – als der Markt um uns herum eine furchtbare Baisse durchmachte – gedieh unser Geschäft prächtig, teilweise weil wir auf niedrigem Stand begonnen hatten, teilweise aber auch weil Futures ein Makro-Instrument sind, auf das sich Investoren gern verlassen, wenn die Märkte widrige Zeiten überstehen müssen. Unsere Provisionen hatten sich in anderthalb Jahren verdoppelt, und schließlich wuchsen wir so schnell, dass wir zur Verstärkung unseres Teams einen neuen Mitarbeiter einstellen durften.
Doch wie zuvor schon Rudy kam nun auch Corey zu dem Schluss, dass für ihn die Zeit für eine Veränderung gekommen war: Daffey wollte, dass er ihn bei den Makro-Hedgefonds unterstützte. Damit würde Corey ein reiner Derivateverkäufer werden: Er würde mehr Zeit damit verbringen, Kunden Investitionsideen mit Optionen, Futures und Swaps vorzustellen, als selbst zu handeln. Für das eigentliche Handeln würde er seine alte Abteilung anrufen – mich. Sein Weggang hinterließ bei mir gemischte Gefühle. Er war hilfsbereit und freundlich gewesen und hatte Vorbildfunktion für mich gehabt. Aber ich wusste, dass die Veränderung gut für ihn war, und ich hatte das Gefühl, dass er meine Karriere auch weiterhin fördern würde.
Ich war seine rechte Hand gewesen. Durch seinen Weggang wurde ich zum wichtigsten Futures-Händler. Das half mir, mich im neunundvierzigsten Stock weiter zu profilieren. Wenn irgendjemand mit einem Future handeln wollte, vom Partner bis hinunter zum Analysten, dann kam er zu mir und meinem Team. Und diese ganzen Veränderungen hatten einen weiteren positiven Nebeneffekt: Sie trugen dazu bei, meinen Blick dafür zu schärfen, was die Märkte als Nächstes tun würden – und stärkten mein Vertrauen in mein eigenes Urteilsvermögen.
Als Corey ging, bekam ich Verstärkung: Wir konnten ein paar neue Leute einstellen, die ich selbst anlernte. Dennoch war die Stimmung nach wie vor angespannt, in der Firma ebenso wie an der Wall Street allgemein. Die Entlassungen gingen weiter – Abteilungen wurden verkleinert und zusammengelegt. Die Abteilung Equities (Aktien) wurde mit der Abteilung Fixed Income, Currency and Commodities (festverzinsliche Papiere, Währungen, Rohstoffe), kurz FICC, verschmolzen. Das Ergebnis dieses Prozesses war eine einzige, riesige, allmächtige (und manchmal allwissende) Abteilung Securities (Wertpapiere). Im Zuge dieser Umstrukturierungen verschmolz meine eigene kleine Futures-Abteilung mit der Futures-Abteilung der FICC.
Eines Tages im Januar 2005 schickte mir Daffey eine E-Mail. «Greg, ich habe eine Idee für Sie. Kommen Sie mal in meinem Büro vorbei.» Ich machte mich auf den Weg runter in den achtundvierzigsten Stock.
«Ich brauche Ihre Hilfe», begrüßte er mich, als ich eintrat.
Er wollte mit mir über Laura Mehta sprechen, die wir kürzlich von Morgan Stanley angeheuert hatten und die jetzt als Managing Director im Sales für Derivate zuständig war, wo sie de facto die Nummer zwei hinter Daffey war. Eine Reihe von Kunden hatte ihn regelrecht bedrängt, er solle versuchen, sie abzuwerben – sie war eine erfolgreiche Princeton-Absolventin und wurde von einigen der größten Staatsfonds und Anlageverwalter der Wall Street sehr geschätzt. Mein erster Eindruck von ihr war gewesen, dass sie eine Klasse für sich war. Außerdem strahlte sie eine Eigenschaft aus, die auf dem Handelsparkett eher selten ist: Sie war wirklich ein
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