Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
angenehmer Mensch. Als sie bei uns anfing, musste Daffey ihr jemanden zur Seite stellen, und seine Wahl war auf Tim Connors gefallen.
Ich kannte Connors (den, ebenso wie Daffey, niemand beim Vornamen nannte) oberflächlich seit dem Sommer 2000, als wir beide Praktikanten gewesen waren – ich als Student, er mit einem abgeschlossen MBA-Studium. Er war eine eindrucksvolle Erscheinung – ein erfolgreicher Rudererer im College, knapp zwei Meter groß. Wie sein ehemaliger Spitzname («Mullet») nahelegt, hatte er eine ziemliche Mähne auf dem Kopf, und er konnte sehr charmant sein, wenn es die Situation erforderte. Er konnte die halbe Nacht hindurch rauchen und trinken und stand dennoch am nächsten Morgen bei der Arbeit seinen Mann. In meiner Anfangszeit in der Futures-Abteilung war mir aufgefallen, dass er auch ungeduldig und reizbar sein konnte, wenn er frustriert war. Als er sich jedoch eingearbeitet hatte und sich in seiner Rolle wohler fühlte, wurde er ausgeglichener. Und im Laufe der Zeit hatten wir eine gute Verbindung zueinander aufgebaut – wir hatten einen ähnlichen Humor.
Connors hatte einen holprigen Start bei Goldman hinter sich. Er arbeitete unter einigen wirklich hartgesottenen Managern, mit denen er nicht gut auskam. Sie waren immun gegen seinen Charme, sich dafür aber umso klarer seiner Neigung bewusst, in Detailfragen Fehler zu machen: sei es, Multiplikatoren zu verwechseln, oder zu kaufen statt zu verkaufen. Connors stand in dem Ruf, zwar ein großartiger Verkäufer zu sein, aber die theoretischen Grundlagen von Derivaten nicht völlig zu verstehen. (Das ist verbreiteter, als man vielleicht denkt, selbst in den höheren Rängen der Finanzwelt. Derivate sind komplizierte Gebilde.)
Ich erinnere mich lebhaft an einen Vorfall im Dezember 2002, etwa in der Zeit, als ich gerade zu Coreys Team gestoßen war. Connors hatte einen quantitativen Fehler gemacht, für einen Kunden die falsche Menge irgendwelcher Futures verkauft oder gekauft. Es war ein großer Fehler – es ging um Hunderttausende von Dollar –, und er hatte ihn verschlimmert, indem er Daffey erst vierundzwanzig Stunden später davon in Kenntnis gesetzt hatte. Daffey, den nichts so leicht aus der Fassung bringt, war wütend. Er schob den Kopf an seinem Computermonitor vorbei und rief: «Connors, nehmen Sie mich auf der Eins!»
Die Telefonanlage funktioniert so, dass nun jeder schnell Leitung eins drücken und auf stumm schalten konnte, um mitzuhören. Corey raunte mir zu, dass ich mithören solle: Er wusste schon, worum es ging, und dachte, es könne für mich lehrreich sein. Aber das Telefon war eigentlich gar nicht nötig. Daffey war so wütend, dass sein Schreien nicht zu überhören war. Er putzte Connors runter, als wäre er ein frischgebackener Analyst. Was er nicht war: Er hatte zwar später in der Branche angefangen als mancher andere, doch zu der Zeit war er Associate und Anfang dreißig.
«Das ist nicht akzeptabel!», schrie Daffey. «Sie sind lange genug hier, um zu wissen, dass Sie diese Dinge sofort berichten müssen! Wir gehen hier mit großen Risiken um, und wenn das noch einmal passiert, dann wird es großen Ärger geben!»
Es gab eine Phase, wo es aussah, als würde Connors entlassen werden – doch er blieb. Daffey schätzte ihn trotz allem und gab ihm eine neue Chance. Und dann kam Laura Mehta. Bisher habe Connors «sich treiben lassen», sagte mir Daffey. Laura habe dazu beigetragen, dass Connors zielgerichteter und konzentrierter arbeite, so erzählte mir Daffey, doch ein Blick für Details und organisatorische Fähigkeiten seien immer noch nicht seine starke Seite. Es gibt an der Wall Street, das muss man fairerweise hinzufügen, eine ganze Menge Leute, die gut sind, wenn es um die großen Zusammenhänge geht, aber deutlich weniger gut in Detailfragen. Connors gehörte dazu. Das war der Punkt, wo ich ins Spiel kam. Laura war zu weit oben in der Hierarchie, um sich um Connors zu kümmern: Sie war oft in Sitzungen. Daffey brauchte jemanden an Connors Seite, der ihm half, das Geschäft auszubauen. Ob ich das tun wolle?
Ich war begeistert. Wenn der Leiter von Derivatives Sales einem ein solches Angebot macht, dann greift man zu, dachte ich mir. Und ich griff zu. Der neue Job war eine Chance, ein breiteres Spektrum von Derivat-Produkten kennenzulernen und meinen Kundenstamm durch die Aufnahme von Staatsfonds, quantitativen Hedgefonds und staatlichen Pensionskassen zu diversifizieren. Abgesehen davon dachte ich, dass
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