Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
zu den altgedienten, und obwohl meine Vergütung (einschließlich Bonus) 2005 insgesamt mehr als 200 000 Dollar betrug, nach Steuern, Geldüberweisungen an meine Familie nach Südafrika und der Monatsmiete von 2500 Dollar, die ich für mein 60-Quadratmeter-Apartment in der Upper West Side berappen musste (ich war 2004 von der River Terrace 41 in eine eigene Wohnung gezogen), hatte ich nicht das Gefühl, dass es vernünftig war, an einem Wochenende drei Riesen auf den Kopf zu hauen.
Außerdem war ich mir unsicher wegen der Feier als solcher. Ich wusste von Anfang an, dass ich von allen Eingeladenen derjenige sein würde, der in der Firmenhierarchie am weitesten unten stand. Wollte ich wirklich dabei zusehen, wie meine Vorgesetzten sich danebenbenahmen, und Gefahr laufen, mich selbst danebenzubenehmen? Szenen von Daffeys Abschiedsparty gingen mir durch den Kopf. Ich wusste, dass Management und Angestellte, wenn es ums Trinken und andere Dinge ging, mit zweierlei Maß gemessen wurden. Wollte ich mich wirklich in diese Situation begeben?
Vielleicht machte ich mir zu viele Gedanken, aber ich wollte auch, dass der Erfolg meiner Arbeit für sich selbst sprach, wenn es um mein berufliches Fortkommen ging. Nennen Sie es naiv, aber ich wollte meinen Chef nicht dadurch beeindrucken müssen, wie viel Tequila ich vertrug. Ich traf mich auch sonst nicht an jedem Wochenende mit Kollegen. Ich versuchte nicht, mich bei Vorgesetzten einzuschmeicheln, damit ich mit ihnen am Wochenende ausgehen konnte. Ich mochte es nicht, mein Privatleben und mein Arbeitsleben zu vermischen – und diese Party versprach explosiv zu werden. Doch gleichzeitig mochte ich Connors und wollte dort sein, um mit ihm zu feiern. Und wenn ich es schaffte, ein wenig locker an die Sache heranzugehen, konnte es sicher auch vergnüglich werden.
Ich fragte Phil um Rat. Phil war zwei Jahre älter als ich, sein Vater stammte aus einer alteingesessenen Familie aus Neuengland, und seine Mutter war Chilenin. Er war (und ist) ein wichtiger Mentor für mich. Wir lernten uns an meinem ersten Tag in der Firma kennen und wurden schnell enge Freunde. Er hatte in der Abteilung Emerging Markets im Lateinamerika-Team gearbeitet, bevor man das ganze Team 2003 entließ. (Er wurde dann Vermögensverwalter bei einer Firma, wo er finanzstarke lateinamerikanische Kunden betreut – der perfekte Job für ihn.)
Phil wusste nicht nur, welche Gabeln man bei Tisch benutzt, er wusste auch eine Menge anderer Dinge. Wegen seiner Mutter sprach er fließend Spanisch. Er war in der Park Avenue aufgewachsen und verbrachte den Sommer im Haus seiner Eltern in Southampton, wo er mit George Soros Tennis gespielt hatte (Phil nannte ihn «Big George»). Seine Familie gehörte dem Golfclub Shinnecock Hills an, der so exklusiv war, dass Goldman-Partner wie Daffey und Ricci praktisch zu sabbern begannen, wenn der Name fiel. (Ich habe auch einmal dort gespielt, als das ganze Derivate-Team zum traditionellen Muschelessen in den Hamptons war, zur Förderung der Teambildung, und allen Partnern klappte der Unterkiefer herunter, als ich es erwähnte.) Als Phil bei Goldman Sachs war, versuchten alle möglichen Vorgesetzten, sich bei ihm einzuschmeicheln – vielleicht in der Hoffnung auf eine Einladung in den Club, vielleicht auch in der Hoffnung, dass etwas von seinem Stil auf sie abfärben möge.
Mit seiner Herkunft hätte Phil leicht zu einem Dünnbrettbohrer werden können. Doch stattdessen war er ernsthaft, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen, nachdenklich, humorvoll und fokussiert. Er schien in der Lage zu sein, die Welt als das zu sehen, was sie war – weder die großen Dinge zu über-noch die kleinen Dinge zu unterschätzen. Und so wurde er zu meiner Anlaufstelle für Ratschläge zu allen möglichen großen und kleinen Fragen, beruflich ebenso wie privat: welche Goldman MDs man zu den Dachterrassenpartys einladen sollte, die ich mit meinen Mitbewohnern im zweiundvierzigsten Stock der River Terrace 41 veranstaltete; was man zu einer formellen Verlobungsparty im Central Park anziehen sollte; wann es bei Turnbull & Asser Sonderangebote gab und nach welchem Verkäufer man fragen musste.
An einem unserer ersten Tage bei Goldman nahm Phil mich und einige andere junge Analysten beiseite und gab uns einen sehr nützlichen Rat: «Jeder hier verkauft irgendetwas», sagte er. «Ganz gleich, ob er ein Trader ist oder ein Quant. Jeder verkauft etwas.» Was er sagen wollte, war: Man darf niemals davon ausgehen,
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