Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
dass irgendjemand selbstlos handelt. Phil zeigte mir, dass man immer kritisch (aber nicht zynisch) sein muss, dass man immer sehr genau prüfen muss (ohne den anderen zu kompromittieren), was möglicherweise hinter einer Bitte oder einem Kompliment steckt. Er riet mir, wachsam zu sein bei Leuten (auch Vorgesetzten), die versuchten, meine Gunst zu erlangen. Man kann nie wissen, was jemand im Sinn hat, sagte Phil.
Als ich Phil fragte, ob ich Connors Einladung annehmen sollte, schaute ich fasziniert zu, wie die Algorithmen seines taktischen Computers die Daten verarbeiteten. Es dauerte nicht lange. «Ich denke, du solltest gehen», sagte er mir.
«Wirklich?»
Er nickte. «Du musst diesen Burschen zeigen, dass du Spaß haben kannst, dass du Teil der Gang bist», sagte er. «Dass du dich, obwohl du noch jung bist, nicht unwohl dabei fühlst, mit ihnen abzuhängen.»
Und so flog ich nach Vegas.
Anders als Connor und andere ranghöhere Goldman-Mitarbeiter – er hatte alles in allem fünfzehn Männer eingeladen, darunter neun von Goldman – nahm ich mir keinen Urlaub. Das kam mir rangmäßig nicht zu. (Connors ging am Mittwoch nach der Arbeit und kam erst am folgenden Dienstag wieder.) Ich flog Freitagabend, landete kurz vor Mitternacht in Las Vegas, brachte mein Gepäck aufs Zimmer im (neu eröffneten) Wynn Hotel und ging, wie man mich angewiesen hatte, in die Lure Ultra-Lounge am Rand der großen Kasino-Etage, um Connors und die anderen zu treffen, die bereits seit zwei Tagen in der Stadt waren und was das Trinken anging, einen beträchtlichen Vorsprung hatten.
Das Licht war rot, die Musik laut. Doch eines muss man Connor lassen: Obwohl er bereits auf seinem Stuhl schwankte, fragte er mich als Erstes (er musste schreien, um sich verständlich zu machen) nach einem großen Geschäft mit Total-Return-Swap-Derivaten, das wir am Morgen des gleichen Tages mit einer großen Pensionskasse abgeschlossen hatten. Es war alles großartig gelaufen, versicherte ich ihm. Er lächelte benebelt.
Um den Tisch herum saß etwa ein Dutzend Leute, sechs Goldman-Mitarbeiter – darunter Bobby Schwartz (auch bekannt als «der jüdische John Kennedy») – sowie ein paar von Connors’ alten Kumpeln vom College, von der Business School, und brüllten vor Lachen, um mit der Musik mithalten zu können. Man klopfte Connors auf die Schulter: Er war der Star, der Anziehungspunkt, der Grund, warum alle hier waren. Die Kellnerin sah umwerfend aus. Die Drinks kamen ohne Pause. Der Managing Director eines Regionalbüros, den alle nur Bill-Jo nannten, mit Abstand der ranghöchste Goldman-Mitarbeiter am Tisch, bezahlte meinen Wodka-Soda. Nach dem zweiten spürte ich, dass ich lockerer wurde. Dann bekam ich einen dritten. Dann einen vierten. Als wir gegen zwei Uhr morgens alle zusammen die Bar verließen, setzte ich vorsichtig einen Fuß vor den anderen, als würde ich auf hoher See über das nasse Deck eines Segelboots laufen. Ich klopfte Bill-Jo auf die Schulter (eine vertrauliche Geste, die ich mir ohne den Wodka garantiert nicht erlaubt hätte) und dankte ihm dafür, dass er mir die ganzen Drinks ausgegeben hatte.
«Ich will Ihnen was sagen», antwortete er ziemlich ernst, obwohl er selbst einiges getrunken hatte. «Ich lasse niemals jemanden, der unter mir steht, etwas bezahlen, wenn er mit mir zusammen ist. Das ist eine Regel, die ich einmal gelernt habe und der ich immer gefolgt bin.»
Wir verließen die Ultra-Lounge und gingen an den Blackjack-Tischen vorbei, wo es ziemlich lebhaft zuging. Ich beobachtete fasziniert, wie ein High-Limit-Spieler mit Schnürsenkelkrawatte einen Turm von 500-Dollar-Chips auf eine Hand setzte.
«Ich frage mich, wie es ist, einen solchen Betrag auf eine Hand zu setzen», sagte ich.
Bill-Jo schaute mich mit dem konzentrierten Gesichtsausdruck eines Mannes an, der versucht, seine Sinne zu ordnen. Er war mir um zwei, drei Drinks voraus. «Kommen Sie mit», sagte er schließlich. «Ich zeige Ihnen, wie es ist.»
Wir gingen zu einem Tisch, an dem ein Platz frei war. Bill-Jo zog einen 500-Dollar-Chip aus der Tasche, legte ihn auf den Tisch, und der Croupier gab die Karten aus. Bill-Jo zeigte mir seine erste offene Karte: ein Karo-Bube. Der Croupier gab ihm noch eine Pik-Vier.
«Karte», sagte Bill-Jo.
Er bekam eine Kreuz-Sieben. Der Croupier schob ihm seinen 500-Dollar-Chip zurück, zusammen mit einem weiteren obendrauf. Bill-Jo nahm die beiden Chips und drückte sie mir in die Hand. «Jetzt wissen Sie, wie
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