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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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nicht getan. Sollte ich es jetzt zur Sprache bringen?
    Ich tat es nicht. Während meine Kollegen mit dem vollbusigen Mädel Smalltalk machten, nippte ich an meinem Bier und hielt die Klappe. Und ich fragte mich (und überlegte, ob die anderen sich das auch fragten): Würde das, was in Vegas abgelaufen war, bis nach New York dringen?
    Als ich am Montag wieder im Büro war, rief ich Phil an, um seinen weisen Rat einzuholen, was ich in der Bill-Jo-Sache tun sollte. Hielt er es für verwerflich, dass ich das Geld nicht sofort zurückgegeben oder es zumindest versucht hatte? Oder konnte ich davon ausgehen, dass 1000 Dollar für einen Managing Director nur ein Trinkgeld waren – also völlig unbedeutend? Oder konnte es sein – die paranoide Variante –, dass es sich um eine Art Falle handelte? Wenn ich nichts sagte, würde mich auf irgendeine Weise Bill-Jos Strafe ereilen?
    Phil riet mir, die 1000 Dollar bei nächster Gelegenheit eher nebenbei zur Sprache bringen – vielleicht indem ich Bill-Jo zu einem späteren Zeitpunkt ein Dutzend Golfbälle kaufte oder so, aber zum jetzigen Zeitpunkt sollte ich sagen: «Danke, dass Sie für mich bezahlt haben.» Und genau das tat ich auch. Bill schien nur eine vage Vorstellung davon zu haben, wovon ich redete.
    Ach ja, und ein oder zwei Tage nach meiner Rückkehr stellte sich in der Herrentoilette der Firma wieder Dave Heller neben mich. Er schenkte mir ein kurzes, geheimnisvolles Lächeln. «Das war ein nettes Wochenende», sagte er. Der König des Understatements.
     
    2006 war ein großes Jahr für Goldman Sachs. Die Märkte boomten, und Derivatives Sales machten weiterhin hohe Umsätze. Die Kunden waren zuversichtlich: Sie kauften, sie gingen Risiken ein. Und ich handelte gut für sie, was neue Aufträge nach sich zog, weil sie wussten, dass ich mich um sie kümmerte. Unter meinen Kunden waren einige der größten Anlageverwalter, quantitativen Hedgefonds und Staatsfonds der Welt. Das Provisionsgeschäft – feste, transparente Gebühren auf Kommissions-Orders in Bereichen wie Futures, börsengehandelte Fonds und Optionen – florierte. In der Kasse klingelte es.
    Aber es lagen Veränderungen in der Luft. Ende Mai wurde unser CEO, Hank Paulson, zum Finanzminister ernannt, und Lloyd Blankfein rückte nach als CEO und Vorstandsvorsitzender von Goldman Sachs. Viele in der Firma waren schockiert, dass Paulson zu einem Zeitpunkt ging, als alles so prächtig lief. Man darf das nicht vergessen: Es waren gute Zeiten. Hank hätte bei Goldman bleiben und noch ein paar Jahre lang Millionengehälter einstreichen können. Er war bei den Bankern ebenso wie bei den Händlern beliebt und respektiert. Doch er folgte dem Ruf von George W. Bush und damit auch der Tradition einer langen Reihe früherer Goldman-Manager, die auf dem Gipfel ihrer Karriere in Regierungsämter wechselten. Ich bewunderte seine Entscheidung.
    Und rückblickend kann man sagen, dass es für Hank Paulson der Deal des Jahrhunderts war. Um zu vermeiden, dass er als Regierungsmitglied in einen Interessenkonflikt geriet, musste er nämlich sämtliche Goldman-Aktien (im Wert von 500 Millionen Dollar) verkaufen, auf ihrem Höchststand vor dem Crash. Und die Tatsache, dass er ein Staatsamt antrat, eröffnete ihm ein Steuerschlupfloch, sodass er noch nicht einmal Kapitalertragssteuer darauf zahlen musste. Ich bin allerdings fest davon überzeugt, dass Paulsons Wechsel ins Finanzministerium für das amerikanische Volk am Ende sogar noch der bessere Deal war.
    Dennoch gab es eine Gruppe von Leuten in der Firma, die bei seinem Weggang der Meinung waren, Hanks Tage seien ohnehin gezählt gewesen. Paulson war ein Banker, Blankfein war ein Trader. Blankfeins Trading-Abteilung (FICC und Equitites) machte massive Gewinne, zwei-bis dreimal so viel wie jede andere Abteilung – die Hälfte der Einkünfte der Firma. Das zeigte, wie groß die Veränderung war, die seit dem Ende der neunziger und frühen nuller Jahre eingetreten war, als das Investmentbanking, also Dinge wie Fusionen, Firmenübernahmen und Unternehmensfinanzen, den Löwenanteil von Goldmans Profiten ausgemacht hatte. An der Wall Street kommt oft derjenige an die Macht, der den meisten Profit macht.
    Und Lloyd war zum Goldjungen von Goldman Sachs geworden. Innerhalb der Firma galt er als Genie, das alle Entwicklungen vorhersah und einfach keinen falschen Schritt machen konnte. Die Leute bewunderten ihn, fürchteten ihn, liebten ihn. Er war ebenso respekteinflößend wie

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