Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
humorvoll. Er wirkte im Umgang wie ein ganz normaler Typ, und wer ihn kennenlernte, war von ihm eingenommen.
Hank dagegen war ein Banker der alten Schule gewesen – geradeheraus und konservativ, ein bisschen ruppig, manchmal brüsk. (Rudy trat einmal in einem Ulk-Video, das für die Goldman-Weihnachtsfeier aufgenommen worden war, als Hank auf. Von der Statur her kam es hin, und lustigerweise waren sie sich sogar vom Typ her sehr ähnlich.) Es war unvorstellbar, Hank auf einer Firmenparty richtig locker zu erleben. Er war Abstinenzler. Außerdem Hobby-Ornithologe, leidenschaftlicher Umweltschützer und Fitnessfanatiker. Ich hatte neben ihm im Fitnessraum des Unternehmens trainiert und gesehen, wie er beim Bankdrücken ein paar ziemlich beeindruckende Gewichte auflegte. (Mein anderes Erlebnis im Fitnessraum mit einem Goldman-CEO war das eine Mal, als ich sah, wie sich Lloyd einer «Lufttrockung» unterzog, das heißt, er lief nach dem Duschen im Umkleideraum im Adamskostüm so lange herum, bis er trocken war. Aber für seine Generation war das wohl nichts allzu Ungewöhnliches. Ich glaube jedenfalls nicht, dass es sich sozusagen um eine nackte Machtdemonstration gehandelt hat.)
Hank hatte sich 2003, als die Firma eine schwierige Zeit durchlief, in die Nesseln gesetzt, als er während einer Investorenkonferenz für Salomon Smith Barney die sogenannte 80/20-Regel zitierte – dass in jedem Geschäft zwanzig Prozent der Leute achtzig Prozent der Profite generieren. Seine Bemerkung wurde als absoluter Widerspruch zu Goldmans Teamwork-Kultur aufgefasst und löste hausintern ziemlich harsche Reaktionen aus. Man muss Paulson zugutehalten, dass er daraufhin eine Rund-Voicemail verschickte, in der er sich ohne Wenn und Aber entschuldigte. Er sagte: «Es war eine unbedachte und unangebrachte Bemerkung, und ich entschuldige mich dafür», und das wurde von allen akzeptiert.
Doch nun hatte das Rad sich weitergedreht. Die Bankenwelt war zu einer Welt des Trading geworden, und das war Lloyd Blankfeins Welt. Und Goldman war dabei, die Bereiche FICC und Equities zu verschmelzen, Letzterer inzwischen unter der Führung von Gary Cohn – wie Lloyd ein Trader und wie er ein «Pre IPO»-Partner. Es war eine Maßnahme, die enorme Auswirkungen auf die Firma und die gesamte Finanzwelt haben sollte.
Lloyd und Gary waren schon ewig befreundet. Sie hatten sich 1990 kennengelernt, als Gary vom Handel mit Metallen an der New York Mercantile Exchange zu J. Aron wechselte, der bei Goldman Sachs die Abteilung Rohstoffe leitete. Lloyd war ein guter Verkäufer, sein Stern war im Aufsteigen begriffen. Jeder gute Verkäufer braucht einen Händler seines Vertrauens, und das wurde Gary für Lloyd. Und Gary war ein brillanter Händler. Er soll angeblich den Aluminiummarkt ganz allein beherrscht haben.
Seine Lebensgeschichte ist bemerkenswert. Gary ist starker Legastheniker, und bereits als Kind hatte man ihm klargemacht, dass bestimmte Türen für ihn immer verschlossen bleiben würden. Er machte es sich daher zur Aufgabe, all diese Türen zu öffnen. Er war eins neunzig groß, hundert Kilo schwer, ehemaliger Auswahlsportler der American University in Washington, und er liebte die Finanzmärkte weitaus mehr als das Studieren. Für seinen ersten Job an der Rohstoffbörse musste er keine Bewerbung schreiben. Als er sich eine Taxifahrt mit einem Warenterminhändler teilte, beredete er ihn auf dem Weg zum Flughafen so lange, ihn einzustellen, bis er den Job hatte. Er nutzte seine Chance und setzte sich mit Klugheit, Instinkt und emotionaler Intelligenz durch. Börsenhandel ist ein Geschäft mit Menschen. Wenn man auf dem Parkett handelt, dann sieht man die Angst in den Augen der Menschen. (Das war es, was Gary gesehen hatte, als er anfing, Aluminium aufzukaufen.) Die Leute, die es an die Spitze schaffen, verfügen alle über geballtes theoretisches Wissen, aber sie besitzen auch einen Instinkt dafür, was andere Menschen motiviert. Gary Cohn war in dieser Hinsicht ein Genie.
Cohn nahm Gehaltseinbußen in Kauf, um zu Goldman Sachs zu wechseln, doch mit seinem Gespür für Menschen einerseits und für den Rohstoffmarkt andererseits stieg er schnell auf – beinahe parallel mit Blankfein, aber immer eine Stufe oder zwei darunter. Lloyd kümmerte sich um Gary. Sie wurden enge Freunde, und die Familien fuhren zusammen in den Urlaub.
Die Fähigkeiten, die Gary zu einem großartigen Trader gemacht hatten, halfen ihm auch, als Manager erfolgreich zu sein. Als
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