Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
strahlte und klatschte. Der Applaus schien nicht enden zu wollen.
«Ich möchte, dass Sie wissen, dass ich Goldman Sachs immer bewundert habe», sagte Buffett, das Mikro dicht am Mund. «Seit dem Tag, als ich im Alter von zehn Jahren mit meinem Vater nach New York City kam und wir dort Goldman Sachs besuchten. Ich habe Sidney Weinberg kennengelernt, und ich habe das Unternehmen seitdem immer bewundert.»
So etwas kann man nicht erfinden.
«Goldman Sachs hat die besten Leute, Sie sind das beste Unternehmen, und ich könnte nicht mehr Stolz empfinden oder glücklicher sein über mein Investment.»
Der Applaus brandete erneut auf und hörte erst auf, als Lloyd und Warren den Handelssaal verlassen hatten.
Es war ein Moment, den ich nie vergessen werde. Ich habe immer noch ein Foto, das ein Kollege mit seinem iPhone geschossen hat: Ich stehe rechts von Buffett, mit meinem weißen Hemd und hellblauer Krawatte, Lloyd zu seiner Linken. Dutzende meiner Kollegen drängen sich um das «Orakel», und jeder einzelne von ihnen strahlt Stolz und ein wenig neue Hoffnung aus. Für einen kurzen Augenblick war die Welt wieder in Ordnung.
Ein paar Tage vor Buffetts Besuch war Finanzminister Hank Paulson bekanntermaßen zu Nancy Pelosi gegangen, der Sprecherin des Repräsentantenhauses, und hatte ihr sein Programm «zur Rettung gefährdeter Vermögenswerte», das «Troubled Assets Relief Program» (TARP), vorgelegt, das 700 Milliarden Dollar bereitstellen sollte. Es umfasste gerade einmal drei Seiten, und die Abgeordneten waren sprachlos über seine Unverfrorenheit, aber Paulson hatte seinen Vorschlag kurz halten wollen, um eine schnelle Verabschiedung durch den Kongress zu ermöglichen. TARP erlaubte es der US-Regierung, den Banken toxische, illiquide Wertpapiere abzukaufen, in der Hoffnung, dass diese Maßnahme – die größte Rettungsaktion der Finanzgeschichte – die gelähmten Kapitalmärkte wiederbeleben würde. Es gab eine Menge Hin und Her im Kongress, eine ausführlichere Version wurde angefordert, und schließlich sollte über das Rettungsprogramm abgestimmt werden, als Rosch ha-Schana vor der Tür stand.
Ich bin nicht besonders religiös, aber ich war immer traditionsbewusst, und die jüdischen Feiertage sind mir wichtig. Ich hatte mir an Rosch ha-Schana und Jom Kippur immer freigenommen, um in die «Schul», die Synagoge, zu gehen, was vonseiten meiner Vorgesetzten auch nie Probleme gab. Die Familie meiner Freundin Nadine in Dallas hatte uns beide dorthin eingeladen, um das jüdische Neujahr mit ihnen zu feiern. Wir waren mittlerweile seit zwei Jahren zusammen und verbrachten die Feiertage abwechselnd bei meinen Cousins in Chicago und bei ihrer Familie in Dallas. Nadine war schon am Wochenende geflogen, aber ich hatte umgebucht, um bis zum letztmöglichen Moment abzuwarten. Und jetzt bebte die Erde. Es war Montag, der 29. September 2008. Rosch ha-Schana würde mit dem Sonnenuntergang beginnen, und die Abstimmung im Kongress stand an diesem Nachmittag an.
Ich ging zu einem Managing Director im Handelssaal, der praktizierender Jude war, um mir von ihm Rat zu holen. Sollte ich das Schiff verlassen, auch wenn ich das Gefühl hatte, dass es sank?
«Ich brauche Ihren Rat», sagte ich. «Ich müsste eigentlich jetzt gehen, um für Rosch ha-Schana meinen Flug nach Dallas zu erwischen. Ich habe das Gefühl, dass das ganze Finanzsystem jede Minute zusammenbrechen und uns alle mit in den Abgrund reißen kann. Ich habe noch nie vorher an einem Jom Tov gearbeitet, aber die Situation ist einfach eine besondere. Soll ich bleiben?»
Er zögerte keinen Augenblick. «Das ist gar keine Frage», sagte er. «Es ist völlig belanglos, ob Goldman Sachs in dieser Minute Bankrott macht. Weder Sie noch ich werden den Gang der Ereignisse beeinflussen. Rosch ha-Schana ist der größte Tag des jüdischen Jahres. Gehen Sie.»
Er hatte die Perspektive für mich wieder zurechtgerückt. Ich bestieg ein Taxi und fuhr zum Flughafen.
Ich war spät dran für meinen Flug, und unterwegs telefonierte ich mit einer Mitarbeiterin, die Associate in meiner Abteilung war, und fragte sie, wie die Märkte sich vor der Abstimmung verhielten. «Es sieht okay aus», sagte sie. «Der Markt hält stand. Der Markt erwartet, dass TARP verabschiedet wird.»
Ich erreichte den Flughafen und eilte durch die Sicherheitskontrollen, ich hatte Angst, dass ich meinen Flug verpassen würde. Aber ich schaffte es. Während ich zum Gate rannte, rief ich wieder in der Firma an.
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