Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
unabhängigen Pricing-Modelle für Derivate, mit denen sie ermitteln können, was undurchsichtige Produkte wirklich wert sind. Doch das Wichtigste ist: Sie verfügen über Humankapital – richtig kluge Leute, die für sie arbeiten. Damit ein Kunde klug sein kann, müssen seine Manager die Interessenkonflikte verstanden haben, die es überall an der Wall Street gibt: bei Börsengängen, in strukturierten Produkten, im Eigenhandel. Aus diesem Grund haben viele der Leute, die bei Klugen Kunden am Ruder sind, früher selbst in Wall-Street-Banken gearbeitet und kennen alle Tricks dieses Gewerbes.
Jetzt, da Goldman einem Hedgefonds immer ähnlicher wurde, waren die Klugen Kunden wichtige Verbündete. Sie wurden frühzeitig über verschiedene Transaktionen informiert, die Goldman plante, sodass sie zusammen mit der Firma investieren und ihre Kraft einsetzen konnten, um Goldmans Investitionsideen in selbsterfüllende Prophezeiungen zu verwandeln. Wir würden nie zu einem unserer Klugen Kunden gehen, um ihm ein überteuertes Finanzprodukt aufzuschwatzen. Die Leute, die in diesen Unternehmen arbeiten, sind, wie gesagt, einfach zu klug. Außerdem haben sie die Werkzeuge, mit denen sie herausfinden können, wenn ein Händler versucht, Spielchen mit ihnen zu spielen. In der neu aufgestellten Bankenholding Goldman Sachs wurden die multimilliardenschweren Hedgefonds mit Samthandschuhen angefasst.
Damit kommen wir zu den Bösen Kunden. Ein Böser Kunde ist nicht selten eigentlich ein Kluger Kunde, der die Grenzen austestet. Manche Hedgefonds begnügen sich damit, gezielt Gerüchte zu streuen, um den Preis der von ihnen geshorteten Unternehmen zu drücken. Andere rennen von Bank zu Bank und versuchen, die eine gegen die andere auszuspielen, um für sich die besten Konditionen herauszuschlagen. Was nicht illegal ist, aber die Banken mögen es nicht, wenn man mit ihnen spielt. Sie möchten lieber selber spielen. Manchmal übertreiben es die Bösen Kunden jedoch, wie dies ein gewisser hochangesehener und karitativ sehr aktiver Hedgefondsmanager namens Raj Rajaratnam, Gründer des 7 Milliarden Dollar schweren Galleon Fund, getan hat, der wegen Insiderhandels zu elf Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Das wäre ein Beispiel für den Bösen Kunden.
Dann gibt es den Einfältigen Kunden. Es ist im Grunde gar nicht zu fassen, wie rückständig und schlecht einige der größten Anlageverwaltungen und Rentenfonds geführt werden. Sie sind groß, bürokratisch, haben überholte Systeme und benutzen immer noch Faxgeräte für Auftragsbestätigungen. Sie bewegen sich in der Regel sehr langsam – manchmal zu langsam. Für die Wall Street sind sie die perfekten Opfer: Zuerst gibt man ihnen einen Becher Wein, dann zwingt man sie, das Bitterkraut zu essen. Ein Beispiel für diesen Typus ist eine Kundin, die einer meiner Kollegen abfällig die «Queen der Wall Street» nannte. Sie war sehr anstrengend: launisch, schrullig, neigte zu verbalen Entgleisungen und Temperamentsausbrüchen. Sie liebte es, neuen Mitarbeitern als Erstes zu zeigen, wer die Hosen anhatte. Einmal, als ein schüchterner Junganalyst namens Jonah einige Transaktionen für sie durchführte, kreischte sie: «Jonah, wenn ich könnte, würde ich durch die Telefonleitung kommen und Ihnen gehörig in den Arsch treten!» Der arme Jonah war danach eine Weile nicht mehr derselbe.
Obwohl die Queen den Handel von Futures, Optionen und anderen Derivaten im Wert von Milliarden von Dollar verantwortete, hatte sie komplett naive Ansichten über das Geschäft. Sie hatte eine besondere Paranoia, was das Handeln mit einer falschen Anzahl von Futures-Kontrakten anging. Sie sagte Dinge wie: «Mir ist egal, wie hoch der Preis ist, ich will bloß nicht überspekulieren» – das heißt versehentlich zu viele Kontrakte handeln, ein Fehler, der ihr Ärger mit ihrem Chef einbringen könnte. Für jeden, der an der Wall Street arbeitete, war das eine widersinnige Aussage, denn das Bestimmen der richtigen Anzahl von Kontrakten ist eine völlig banale Rechenaufgabe – jeder Anfänger würde das richtig machen. Viel wichtiger war die Frage, wie man die Order ausführte – hatte man niedrig gekauft und hoch verkauft? Was war der Preis? Die Naivität der Queen war besonders erschreckend, wenn man sich vor Augen führte, dass von ihren Entscheidungsprozessen die Renten von Tausenden von Menschen abhingen.
Wir nahmen die Queen bei der Hand und behandelten sie, eben, wie eine Königin. Wir übernahmen
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