Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
wollte so viel wie möglich von ihnen lernen.
Beide glaubten von Anfang an mich, und beide schickten meine Analysen an ihre größten Kunden, was mich sehr freute. Einer der MDs schickte einen Artikel an Paul Tudor Jones und sein Team mit dem Kommentar: «Das ist vom Real-Money-Guru meines Teams – es wird Ihnen gefallen.» (Der Begriff «Real Money» gefiel mir. Er bezog sich auf die Kategorie langfristig orientierter institutioneller Anleger, die ich betreute – Anlagenverwalter, Investmentfonds, Pensionsfonds –, und Staatsfonds. Einige nannten es auch «Slow Money» – im Gegensatz zu «Fast Money», womit Hedgefonds gemeint waren, die mehr mit gehebelten Instrumenten arbeiteten und schneller in Positionen ein-und wieder ausstiegen.) Tudor Jones schrieb tatsächlich zurück. Zwar nur um «Danke» zu sagen, doch ging aus seiner Mail hervor, dass er den Artikel tatsächlich gelesen hatte. Das von einer solchen Hedgefonds-Ikone zu hören fühlte sich ausgesprochen gut an. Noch besser war allerdings die Tatsache, dass dieser Managing Director genug Vertrauen in mich als Kommentator hatte, dass er meinen Artikel mit seiner Empfehlung an seinen wichtigsten Kunden schickte.
Mein Ehrgeiz war es, der «Real-Money Guy» zu werden, das Sprachrohr für das, was die Real-Money-Kunden umtrieb – so wie meine MD-Mentoren dafür bekannt geworden waren, dass sie darüber schrieben, was die Makro-Hedgefonds taten und dachten. Ich versuchte, mir eine Nische zu erobern und zu einem internen Experten für Kapitalfluss zu werden, ein Thema, das viele Menschen beschäftigte. Wer kaufte und wer verkaufte was am Markt? Investierten Kleinanleger in Investmentfonds? Waren die Pensionsfonds dabei, ihre Anlagenstruktur von festverzinslichen Papieren auf Aktien umzugewichten? Erhöhten Hedgefonds ihre spekulativen Short-Positionen in E-Mini-Futures? Konnten Mengen oder Trends zu bestimmten Tageszeiten uns irgendetwas darüber verraten, in welche Richtung der Markt sich bewegen würde? Ich hatte eine Methode gefunden, sämtliche Parameter zusammenzufassen und in einer These zu bündeln, die eine Aussage darüber erlaubte, welchen Effekt sie auf die Kapitalmärkte haben konnten.
Die Makro-Hedgefonds waren naturgemäß sehr daran interessiert, was das «Real Money» machte. Obwohl Hedgefonds eine Menge Umsatz machen, repräsentieren sie nur etwa fünf Prozent des Aktienbesitzes am amerikanischen Markt. Die wirklichen Schwergewichte am Markt sind die Investmentfonds, Pensionsfonds und Staatsfonds, die Anlagen im Wert von Billionen und Aberbillionen von Dollars verwalten. Das ist das «richtige» Geld. Und wenn richtiges Geld sich über einen gewissen Zeitraum hin in Bewegung setzt, dann bewegt sich der gesamte Markt mit. Und umgekehrt waren natürlich auch meine Kunden daran interessiert zu erfahren, was die Hedgefonds machten, weil diese in der Lage waren, den Markt von einer Minute auf die andere entscheidend zu beeinflussen.
Dann landete ich einen Volltreffer. Jeder Schriftsteller wird das kennen, diese Verwunderung, wenn das, was man im stillen Kämmerlein geschrieben hat, plötzlich große Resonanz findet. Besonders natürlich, wenn man erst angefangen hat zu schreiben. Am 11. Dezember 2008 – zufälligerweise genau an meinem dreißigsten Geburtstag – verschickte ich meinen dritten Artikel mit Marktanalysen, und er erregte innerhalb und außerhalb der Firma mehr Aufmerksamkeit, als ich je für möglich gehalten hätte.
Es war einen Monat nach der Wahl von Barack Obama zum Präsidenten, und trotz seiner Wahlversprechen, seiner «Yes, we can»-Beschwörungsformel und seiner engen Verbindung zu wichtigen Figuren an der Wall Street wie Jamie Dimon, dem Chef von JPMorgan Chase, und Robert Wolf, dem damaligen Amerika-Chef der UBS, herrschte am Markt nach wie vor Weltuntergangsstimmung. Auch ich selber suchte nach einem Hoffnungsschimmer, und ich hatte sogar eine konkrete Idee, wo ich ihn finden könnte.
Mein Artikel konzentrierte sich auf ein Konzept, von dem viele Leute eine vage Vorstellung hatten, das aber kaum jemand wirklich verstanden hatte: das sogenannte «Dry Powder». Das Erste, was alle Investmentfonds und Pensionsfonds während der Krise machten, war verkaufen. Und sie verkauften immer weiter, was die Krise verschärfte. Das Ergebnis war, dass die Fonds eine enorme Liquiditätsbasis aufbauten, die man als «Wall of Money» oder auch als «Dry Powder» bezeichnet. (Der Begriff kommt aus dem militärischen Bereich, aus der
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