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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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früh aktiv geworden und konnte so von Anfang an von einigen sehr großen und gut getimten Trades profitieren. Ein Senior Partner, einer der Global Heads im Trading, kam zu mir, um mir zu berichten, dass er meine Analyse in einem Seminar zum Thema Risikomanagement verwendet habe. All das tat meinem Ego gut. Ich hätte befreit aufatmen sollen. (Mein privates Gesundheitsmanagement zeigte immerhin auch seine Wirkung.) Das Problem war nur, dass meine Fans im oberen Management und meine besten Kunden mehr von meinen Aktivitäten wussten als meine direkten Vorgesetzten, die ein paar Schreibtische weiter auf derselben Etage saßen.
    Im Frühjahr, bevor die Erholung des Marktes offensichtlich wurde, rief mich eine meiner Vorgesetzten in ihr Büro. Beth Hovan war Partner und (zusammen mit Paul Conti) Leiterin meiner Abteilung. Sie war dunkelhaarig, attraktiv, sehr intelligent und, wie die meisten, die es ins Management bei Goldman Sachs geschafft hatten, sehr tough. In ihrem Fall schloss das allerdings auch eine gewisse Herzlosigkeit mit ein. («Seien wir doch bitte ehrlich: Der Grund, warum wir alle hier sind, ist, um einen Haufen Geld zu verdienen», sagte sie mir einmal.) Für mich war sie eine Vertreterin jener Sorte von Managern, die vor allem nach oben managten, das heißt, die oft wenig Ahnung davon haben, was unter ihnen vorgeht. Als ich in ihr Büro kam, sah sie besorgt aus. «Nun, wie läuft’s?», fragte Beth. «Mir fällt auf, dass die Kunden nicht besonders viel Geld zahlen.»
    Ich räumte ein, dass das Geschäft rückläufig war, weil die Kunden verängstigt und passiv waren. «Aber», fügte ich hinzu, «ich habe versucht, ein bisschen Mehrwert für die Kunden zu schaffen und neue Kunden zu werben, indem ich diese Artikel schreibe.» Sie schien nur ein vage Ahnung zu haben, wovon ich redete. «O ja, von denen habe ich gehört», sagte Beth. «Warum leiten Sie sie mir nicht noch einmal weiter?» Ihr Tonfall sagte, dass es ihr völlig gleichgültig war, ob ich sie ihr schickte oder nicht. Mehrwert für die Kunden schien das Letzte zu sein, was sie interessierte.
     
    Im Herbst 2009 war der Bau der neuen Firmenzentrale von Goldman Sachs beendet: ein glänzendes, 2 Milliarden Dollar teures, dreiundvierzig Stockwerke hohes Monument aus Glas und Stahl in der West Street 200, nur einen Steinwurf nordwestlich von Ground Zero. Das neue Gebäude stand direkt gegenüber von meiner ersten Wohnung in der River Terrace 41. In meiner Zeit als junger Analyst gingen meine Mitbewohner und ich oft ins Multiplex-Kino in der West Street, neben dem sich ein nicht allzu großer Parkplatz befand. Irgendwie schaffte es Goldman Sachs, seinen gigantischen neuen Büroturm auf diesen kleinen Platz zu quetschen. Erstaunlich, was ein paar Milliarden ausrichten können.
    Baubeginn war im Jahr 2005 gewesen, als die Rezession zu Ende ging und wieder bessere Zeiten anbrachen. Und Goldman hatte staatliche Unterstützung bekommen. Dafür, dass sie sich für die Revitalisierung der Gegend einsetzte, bekam die Firma eine Milliarde Dollar in steuerfreien Liberty Bonds: noch mehr (praktisch) kostenloses Geld. Fairerweise muss man allerdings einräumen, dass Goldman ein kalkuliertes Risiko einging und ein klares Statement abgab mit seiner Entscheidung, sich inmitten eines Stadtbezirks niederzulassen, der wohl das weltweit größte Terroristenziel darstellte.
    Die neue Zentrale war in mehr als einer Hinsicht bedeutsam. Zum einen hatte Goldman noch nie ein Gebäude gebaut oder besessen – vorher hatte die Firma Häuser und Räume geleast und gepachtet. Schon allein die Existenz dieses Hauptquartiers, ganz zu schweigen von seiner schieren aggressiven Pracht, waren dem früheren Ethos des Understatements von Goldman Sachs diametral entgegengesetzt. Um das Gepränge ein wenig abzumildern, hatten die Architekten Pei Cobb Freed & Partners den Turm unter strengster Beachtung der Umweltverträglichkeit entworfen, mit «grünen» Details wie einem eisgekühlten Unterboden-Luftzirkulationssystem. Um andererseits den Prunk jedoch zu unterstreichen, zahlte Goldman der Künstlerin Julie Mehretu 5 Millionen Dollar, damit sie ein fünfundzwanzig mal sechs Meter großes Wandbild für die Lobby malte. Die rasanten Linien und gedehnten geometrischen Formen, die über die riesige Fläche des Gemäldes flogen, sollten auf abstrakte Weise eine Vorstellung von der Geschichte des Finanzkapitalismus vermitteln. Die schiere Größe des Gemäldes vermittelte zumindest eine

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