Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)
Vorstellung vom mächtigen Reichtum von Goldman Sachs.
Die ersten sechs Stockwerke des Gebäudes wurden von großen Handelssälen eingenommen, jeder von ihnen größer als ein Fußballfeld und deutlich größer als der neunundvierzigste Stock im One New York Plaza. Das Derivate-Team befand sich zusammen mit den restlichen sechshundert Leuten der Abteilungen Equities Sales und Trading im dritten Stock. Darüber befanden sich die Büros des Managements, die Bereiche Recherche und Investmentbanking. Im zehnten Stock gab es einen fünftausend Quadratmeter großen Fitnessraum mit einer wunderschönen hohen Glasdecke und eine riesige Cafeteria. Im One New York Plaza herrschte große Vorfreude auf den bevorstehenden Umzug in die neue Zentrale.
Der Ort, um herauszufinden, wann genau der Umzug stattfinden würde, war Salvatore’s Barber Shop im Erdgeschoss des One New York Plaza. Viele Verkäufer und Trader gingen nach Handelsschluss dorthin, auf ein heißes Handtuch fürs Gesicht oder um sich kurz «die Perücke zurechtrücken» zu lassen. Auch jede Menge Prominenz tauchte hier auf: Hank Paulson etwa oder Duncan Niederauer, ein früherer Goldman-Partner, jetzt Chef der NYSE. Ich ließ mir einmal die Haare schneiden, als sich Andrew Cuomo, damals Generalbundesanwalt und jetziger Gouverneur von New York, neben mich in den Frisierstuhl fallen ließ. Als der Oktober zu Ende ging, wusste Mike, mein Friseur, zu berichten: «Mr. Cohn war gestern hier, und er sagt, zwei Wochen.» Oder er sagte: «Harvey Schwartz (Co-Head der Abteilung Global Securities) meint, nicht später als Thanksgiving.»
Ein großer Teil der Vorfreude auf den Umzug hatte mit der neuen Cafeteria zu tun. Die alte Kantine im Keller des One New York Plaza war, um es milde auszudrücken, nicht gerade umwerfend gewesen. Man ging dort nicht hin, wenn man ein wenig Erholung brauchte. Die neue Cafeteria hingegen, mit ihrer hohen, prächtigen, lichtdurchfluteten Decke und dem glänzenden Inventar sah dagegen aus wie eine moderne Kathedrale.
Von dem Augenblick, als wir einzogen (die Abteilung Equities zog als Versuchskaninchen kurz nach Thanksgiving als Erstes um), lief irgendetwas mit der neuen Cafeteria vollkommen schief.
Vielleicht war es schlechtes Management, vielleicht war es schlechtes Feng-Shui, jedenfalls stellte sich heraus, dass der Ort das absolute Chaos war. Es gab irgendeinen Fehler in der Konzeption oder im Grundriss, den niemand je so richtig ermitteln konnte. Die Leute stießen ständig zusammen, rannten sich buchstäblich über den Haufen. An den Grill-, Salat-, Sandwich-und Omelette-Theken bildeten sich lange Schlangen, von der Kasse ganz zu schweigen. Es war nicht zu übersehen, dass hier keine Kosten gescheut worden waren. Der Raum war riesig, und trotzdem gab es Gedränge. Es wurde so schlimm, dass die Personalabteilung eine E-Mail herumschickte und mitteilte, dass jeder, der zwischen 11 : 00 und 11 : 30 Uhr oder zwischen 14 : 00 und 14 : 30 Uhr zum Mittagessen ging, einen Rabatt von fünfundzwanzig Prozent bekommen würde. (Man glaubt es kaum, aber es gab Managing Directors, die im Jahr 1 Million verdienten und die ganz heiß darauf waren, diese Rabatte auszunutzen.) Die gleiche Mail ermunterte die Leute auch, von «externen Optionen» Gebrauch zu machen – mit anderen Worten: Takeaway aus dem World Financial Center, um das Gedränge und Chaos in der Goldman-Cafeteria zu reduzieren.
Ich kannte viele, die sich über den Frühesser-Rabatt freuten. Einer meiner Kollegen gewöhnte sich sogar an, jeden Tag um 11 : 15 zu Mittag zu essen, aber er war auch der Typ von Managing Director, der einen Kunden zum Skifahren mitnimmt und dann eine Spesenabrechnung über einen Dollar einreicht, weil er sich unten am Berg einen Lippenpflegestift gekauft hat. Als unser Chef die Spesenabrechnung über einen Dollar zu sehen bekam, geriet er in Rage und stauchte den Betreffenden gehörig zusammen.
«Wollen Sie mich verarschen? Einen Labello für einen Dollar? Wie viel haben Sie letztes Jahr verdient?», schrie unser Chef.
«Schon gut, schon gut …» war alles, was er zu seiner Verteidigung anbringen konnte.
Der neue Fitnessraum war da schon eine andere Geschichte. Wie im Fall der alten Cafeteria hatte es sich beim alten Goldman-Fitnessraum in der Hanover Street 10 um einen fensterlosen Kellerraum gehandelt, den niemand wegen des Ambientes aufsuchte. Der neue Fitnessraum wurde großspurig die GS-Wellness-Börse genannt, und er war schlicht und einfach
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