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Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition)

Titel: Die Unersättlichen: Ein Goldman-Sachs-Banker rechnet ab (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Smith
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desaströse Telefonkonferenz mit einem Hedgefondsmanager namens David Einhorn hatte zur Folge, dass Einhorn Lehman-Aktien shortete und die Gerüchte sich verdichteten, dass das Unternehmen gravierende Probleme hatte.
    Am 19. März 2009 hatte David Viniar eine zweistündige Telefonkonferenz mit Journalisten und Finanzanalysten anberaumt, um die Rolle der Firma im Rettungsplan der Regierung für AIG zu erklären. Ich hörte zu – jeder bei Goldman hörte zu. Es war eine meisterhafte Vorstellung unter außerordentlich schwierigen Bedingungen. Während die Experten ihn mit Fragen bombardierten, schaffte es Viniar, eine zweigleisige und im Grunde genommen widersprüchliche Argumentationslinie zu vertreten – dass einerseits die Bank (der AIG Milliarden von Dollar in Default Swaps schuldete) so weit abgesichert war, dass sie durch eine Insolvenz von AIG keine Probleme bekommen hätte, dass Goldman aber andererseits vollkommen zu Recht die 12,9 Milliarden Dollar aus dem AIG-Rettungstopf (zum vollen Nominalwert) angenommen hatte. Denn der Versicherungsgigant AIG hatte Goldmans Hypothekenpapiere abgesichert, und als der Hypothekenmarkt zusammenbrach, wollte Goldman seine Versicherungssumme bekommen – obwohl GS diesen Markt geshortet hatte. Die Firma hatte eine doppelte Wette auf den Zusammenbruch laufen, und wie jeder Versicherungsnehmer im Schadensfall wollte GS sein Geld.
    Viele Leute in der Firma und an der Wall Street halten Viniar für den besten CFO der Welt. Er hat einen Trick, für den er berühmt ist – im Grunde genommen die verbale Entsprechung von Gary Cohns aggressivem Fuß auf dem Schreibtisch. Wenn ihm ein Finanzanalyst eine knifflige Frage stellt – «David, glauben Sie, dass diese Zahlen und jene Zahlen vier Milliarden Dollar entsprechen?» – dann gibt, Viniar die knappste aller denkbaren Antworten: «Nein.» Oder eben: «Ja.» Oder wenn er in Stimmung für eine präzisere Auskunft ist: «Genau gesagt sind es 3,8 Milliarden Dollar.» Keine weitere Erklärung.
    Darauf folgt betretenes Schweigen. Und dann passiert immer das Gleiche: Der arme Analyst gerät so in Verwirrung (weil einfach nichts mehr kommt), dass er Viniar dankt. Woraufhin Viniar mit den stets gleichen Worten antwortet: «You’re welcome.» Gern geschehen. Was nach Meinung vieler Leute nichts anderes ist als Managerjargon für «Leck mich». Viniar hat dem Frager nichts gegeben und ihm obendrein auch noch die Meinung gesagt. Viniar ist ein Gladiator.
    Jeder im Handelssaal hatte dieser Telefonkonferenz fasziniert gelauscht. Goldman kämpfte immer noch ums Überleben, und dies war der Mann, den wir in die Schlacht geschickt hatten. Ich vermute, dass die Engländer, wenn sie während des Krieges Winston Churchill im Radio hörten, ähnlich empfunden haben mussten. Und ich bin sicher, dass alle anderen Mitarbeiter die gleiche Freude wie ich verspürten über Viniars Fähigkeit, auf diese wahnsinnig komplexen Fragen ruhig und überzeugend zu antworten. In dieser kritischen Situation war der Instinkt eines jeden Goldman-Angestellten, die Firma zu verteidigen.
    Doch dann geschah etwas Seltsames: Viniars Argumente klangen immer weniger überzeugend. Es lag ein Ruch in der Luft, der nicht nach Thymian und Rosen duftete, auch nicht nach frischgedruckten 100-Dollar-Noten. Es roch vielmehr sehr nach Interessenkonflikt, um nicht zu sagen nach Eigeninteresse. Die Behauptung des CFO, dass es dem Steuerzahler geschadet hätte, wenn Goldman Sachs weniger als 100 Cent pro Dollar für die AIG-Schulden von der Regierung angenommen hätte, verlor im Lauf des ereignisreichen Jahres 2009 viel von ihrer Überzeugungskraft.
    Von ihrem Tiefststand am 15. März stiegen die Märkte langsam, stetig und ohne zu stolpern bis zum Ende des Jahres an. Es war verrückt. Meine Prognose von der Rückkehr des «trockenen Pulvers» auf dem Markt bewahrheitete sich.
    Zuerst bemerkte es niemand. Die Lage sah weiterhin trübe aus. Und doch gab es jeden Tag kleine Zeichen der Verbesserung, und bald wurde klar, dass sich tatsächlich etwas änderte. Jeder war davon überrascht. Und es waren nicht die Kleinanleger, die beschlossen: «Wir wollen wieder in den Aktienmarkt einsteigen.» Es waren die riesigen Geldreserven, die die großen Fonds in den Zeiten des allgemeinen Ausverkaufs angesammelt hatten und die nun nach und nach wieder ihren Weg in den Markt fanden, während der Frühling zum Sommer und der Sommer zum Herbst wurde.
    Mein größter Kunde war auf meine Prognose hin

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