Die Ungehorsame Historischer Roman
versuchten Herren sich in Pavillons an Wasserpfeifen oder schlürften starken Mokka. Kinder naschten mit klebrigen Fingen Türkischen Honig oder solch ausgefallenen Süßigkeiten wie Lippen der Schönheit oder auch eingelegte Datteln und Feigen. Zur Abkühlung gab es geeiste Sherbets oder starken Pfefferminztee. Zahlreich waren auch die Uniformen vertreten, sogar der Festungskommandant Oberst von Huene hatte sich eingefunden sowie der Kommandant der Deutzer Kürassiere, Oberst von Woedke, und einige seiner Herren. Honoratioren der Stadt plauderten entspannt unter schattigem Geäst, und die als Orientalinnen verkleideten Künstlerinnen feilschten mit erbarmungsloser Entschlossenheit mit jedem Käufer. Die Einnahmen für das Waisenhaus stiegen von Stunde zu Stunde.
Selbstverständlich waren auch die Vertreter dieser Anstalt anwesend, und vor allem der Pfarrer Wiegand machte gewichtig seine Runde. Leonie fand ihn unsympathisch und entschwand dezent, als
er sich ihrem Stand näherte. Der stiernackige, schwitzende Kleriker mit seiner dröhnenden Stimme schaute ihrer Meinung nach zu oft zu intensiv den Damen ins Dekolleté. Dafür machte es ihr aber eine ganz besondere Freude, für die mageren Jungen und Mädchen, die von einigen Angestellten des Waisenheims streng beaufsichtigt durch den Garten geführt worden waren, zu musizieren. Sie merkte an den vereinzelt verklärt aufleuchtenden Gesichtern, dass diese Art von Genuss ihnen nur sehr selten geboten wurde. Ja, es war eine gute Idee, für sie Geld zu sammeln. Und es war noch eine viel bessere Idee von Frau Waldegg, dem Waisenheim nicht die Summe, sondern sorgfältig ausgewählte Sachspenden zu übergeben, deren korrekte Verwendung man sichtbar überprüfen konnte. Genau wie diese freundliche, aber realistische Dame hatte auch Leonie durch Edith oft genug erfahren, dass Geld nur zu gerne in solchen Institutionen zu versickern drohte.
Ursel und Lennard amüsierten sich ebenfalls göttlich, stellte sie fest. Das Geschäft mit den Mäusen blühte, und Ursel hatte sehr schnell gelernt, wie man den Interessenten das Geld aus der Tasche locken konnte. Lennard war nicht ganz so gut im Handeln, aber er hatte eine schlitzohrige Art entwickelt, anderen Knaben den Einsatz der Tierchen schmackhaft zu machen, in dem er gewisse Situationen heraufbeschwor, die ihnen vermutlich nicht ausschließlich Lob, aber großes Vergnügen einbringen würden.
Camilla war überall, scherzte hier, lächelte dort, hatte ein Ohr für vertrauliche Wünsche, schickte Dienstmädchen mit Erfrischungen herum und ließ feuchte Tücher bringen, um verschmierte Gesichtchen und Hände zu reinigen. Ihr Gatte wandelte wohlwollend zwischen den Besuchern umher, und Leonie konnte nicht umhin festzustellen, dass er vor Stolz auf Camilla strahlte.
Am frühen Nachmittag hatte Leonie keine Spieldosen mehr zu verkaufen und gönnte sich eine kleine Pause in dem Zelt, in dem die gekühlten Fruchtsäfte angeboten wurden. Und natürlich auch Champagner. Camilla ließ sich anmutig neben sie auf das Polster gleiten und reichte ihr ein Glas.
»Das hast du dir verdient, Leonie. Es war dein Vorschlag, und nun schau dir das an!«
»Ja, es ist erfolgreich!«
»Sebastienne zählt und rechnet und bekommt ein immer breiteres Grinsen. Ich glaube, unsere Schätzungen sind bereits weit überschritten.«
»Ich bin ausverkauft, Scherenschnitte gibt es nicht mehr, ein letztes Perlentäschchen habe ich noch gesehen, und die Blumenbilder hätten wir viermal so oft verkaufen können.«
»Nächstes Jahr!«
»Ja, so etwas sollte man wiederholen.«
Zufrieden reckte Leonie sich in den Polstern. Diese Kleider waren wirklich ausnehmend bequem!
»Der Herr dort in der schwarzen Uniform, sucht er dich?«
»Welcher Herr? Ah, Lützows wilde verwegene Jagd!«
»Wilde Jagd? Jäger?«
»Ah nein. Die Herren vom Regiment Lützow tragen traditionsgemäß Schwarz.«
Leonie winkte Ernst zu, und er trat zu ihnen.
»Camilla, darf ich Ihnen Leutnant Ernst von Benningsen vorstellen? Er ist mir und meinem Mann ein besonders guter Freund! Und, Ernst, Frau Jacobs hat bisher das Geheimnis der wilden Jagd noch nicht ergründet. Bitte hilf doch diesem betrüblichen Missstand ab!«
Hoheitsvoll und gnädig nickte Camilla, und Leonie beobachtete, wie Ernst vor Bewunderung geradezu dahinschmolz. Sie verließ die beiden, um sich im Haus zu erfrischen und dann bei dem letzten Höhepunkt, der Versteigerung von Jussufs Bildern, mitzuhelfen.
Sie war eben auf dem
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