Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Ungehorsame Historischer Roman

Titel: Die Ungehorsame Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
führte.

    »Woran denkst du, Leonie? Du siehst so verträumt aus?«
    Sven setzte sich neben sie und zog an seiner Pfeife.
    »Oh, dies und das. Bald ist unser Aufenthalt hier zu Ende. Es war ein so schöner Sommer.« Sie lächelte ihren Onkel an. »Der schönste meines Lebens.«
    »Du hast dich mit deinem Mann arrangiert.«
    »Ja, Sven. Deine Warnungen - nun, ich denke, was jenen Söldner betrifft, können wir beruhigt sein.«
    »Das denke ich auch. Aber dennoch …«
    »Psst, Sven. Ich rühre nicht an Dingen, die Wunden gerissen haben, die kaum verheilt sind. So, wie er es bei mir auch nicht tut.«
    »Bist du sicher, dass du dein Geheimnis ihm gegenüber völlig wahrst?«
    »Er vermutet das eine oder andere. Vielleicht bringe ich den Mut auf, ihm die Wahrheit zu erzählen. Doch es würde mich unendliche Überwindung kosten, Sven. Und was würde es mir bringen? Abscheu? Verachtung? Bestenfalls Mitleid? Nichts davon kann ich ertragen.«
    »Es heißt, die Zeit heile die Wunden.«
    »Meine nicht und seine auch nicht. Noch nicht.«
    »Du musst wissen, was du tust. Zumindest, Liebes, ist er dir sehr zugetan.«
    »Ich ihm auch, Sven, ich ihm auch.«
    »Freundschaft ist eine gute Basis für eine Ehe.«
    Leonie kicherte plötzlich.
    »Eine bessere als Gehorsam allemal!«

Rosalies Ende
    DER MENGE SPOTT HAB ICH BEHERZT VERACHTET,
NUR DEINE GÜTER HAB ICH GROSS GEACHTET,
VERGELTERIN, ICH FORDRE MEINEN LOHN.
    Schiller: Resignation
     
     
    Er hatte an Macht gewonnen, oh ja, das hatte er. Selbst dieser schäbige Rausschmiss hatte sich letztlich als Vorteil erwiesen. Karl Lüning war sich erstmals in seinem Leben seiner Stärke bewusst. Er hatte Freunde, gute Freunde, denen er etwas galt, die Anteil nahmen und ihm halfen. Die Worte der Macht wirkten - ohne jeden Zweifel. Die Weihehandlungen stärkten ihn, die Hingabe an den Herrn des Chaos machten ihn unüberwindlich. Jetzt war er gottgleich, niemand machte ihm mehr Vorschriften - er setzte die Grenzen, er war Gesetz!
    Köln hatte er verlassen müssen, was es etwas problematisch machte, an den zweiwöchentlichen Treffen teilzunehmen, aber der Professor - neben dem Apotheker Gerlach der Einzige, den er mit bürgerlichem Namen kannte - war hilfreich. Er hatte ihm nämlich einen gut bezahlten Posten in der Bonner Universitätsdruckerei besorgt, wo die schlampigen Elaborate fauler Studiosi zu redigieren hatte. Dabei konnte man sich durchaus noch ein Extrageld verdienen, wenn man Abschriften von den Arbeiten anfertigte, die andere dringend benötigten, um ihr karges Wissen aufzubessern. Das zusätzlich zu dem Extrageld, das er sich schon seit geraumer Zeit mit den Abschriften der Vermessungsprotokolle aus Mansels Büro verdiente, machten ihn zu einem beinahe wohlhabenden Mann. Die Grundstücke, die die Eisenbahngesellschaft aufzukaufen wünschte, waren nämlich im Wert gestiegen, wer frühzeitig kaufte, konnte nun mit Gewinn verkaufen. Sein neues Selbstbewusstsein hatte ihn sogar wieder in Kontakt mit Gutermann gebracht, dem alten Heuchler. Wie sich zeigte, waren sie beide nicht besonders gut auf Hendryk Mansel zu sprechen, und so hatte sich eine geschäftliche Beziehung zum gegenseitigen Nutzen aufgebaut.

    Heute Nacht war wieder ein Treffen angesagt, und voll Vorfreude buchte Lüning einen Platz in der Postkutsche, die ihn nach Köln bringen würde. Er hatte keine Angst davor, dort mit Mansel zusammenzutreffen, die Kreise, in denen er sich jetzt bewegte, waren seinem ehemaligen Arbeitgeber verschlossen.
    Noch war etwas Zeit bis zum Eintreffen der Kutsche, und er setzte sich in die Posthalterei an der Bonngasse, um vor Fahrtantritt ein Bier zu trinken. Zwei Corpsstudenten taten es ihm gleich, eine magere Hexe mit einem pickeligen Mädchen im Gefolge strafte die schmucken jungen Herren mit verächtlichen Blicken, das Mädchen mit begierlichen. Mehr Fahrgäste warteten derzeit nicht auf den Transport nach Köln.
    Doch als die Kutsche vorfuhr, lief noch ein weiteres Geschöpf auf sie zu.
    »Nehmt mich mit! Nehmt mich mit! Bitte nehmt mich mit!«, rief es, und Lüning stutzte. Der Postillon fragte barsch nach dem Fahrschein, aber das Mädchen sah ihn nur blöde an.
    »Weiß deine Mutter, dass du fortgelaufen bist?«, herrschte auch die Magere die Kleine an, und die schüttelte den Kopf, dann aber entdeckte sie Lüning.
    »Nehmen Sie mich mit, bitte!«
    Sie klammerte sich an seinen Jackenärmel, und er wollte sie schon ärgerlich abschütteln. Rosalie, Gutermanns jüngste Tochter, war ihm

Weitere Kostenlose Bücher