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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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verwalten, sein Vater hat ihm eine Silbermine und wohl noch etliche Anteile an
     zwei oder drei anderen hinterlassen. Weiß der Himmel an was für welchen, der Harz ist ja immer noch voll von außerordentlich
     ertragreichen Minen.»
    «Klemens?» Ludwig Strabenow hatte der Debatte über die ihm völlig unbekannte Komödiantin mit gediegener Gelangweiltheit zugehört
     und beugte sich nun mit plötzlich entzündetem Interesse vor. «Klemens Lenthe?»
    Christian nickte. «Kennst du ihn?»
    «Ich bin nicht sicher, ob es der ist, von dem du sprichst. Ich kenne jemanden mit diesem Namen. Er hat zur gleichen Zeit wie
     ich in Göttingen studiert.»
    «Das muss er sein. Er war dort an der Universität, bis vor ein oder zwei Jahren, glaube ich.»
    Strabenow sagte «Hmhm» und «Soso» und lehnte sich wieder zurück.
    «Was ist los, Ludwig? Nun erzähl schon.»
    «Da gibt es nicht viel zu erzählen. Außerdem fürchteich eine Verwechselung. Man sollte sich immer hüten, falsches Zeugnis abzulegen.»
    Christian faltete fest die Hände. Es sah aus, als zerquetsche er einen Käfer zwischen den Ballen. «Natürlich, Ludwig, das
     sollte man unbedingt. Aber du musst ja nicht auf die Bibel schwören, und ob es eine Verwechselung ist, erfahren wir nur, wenn
     du uns erzählst, was du weißt.»
    «Nun», sagte Ludwig, bedachte sich einen Moment, der ausreichte, ihm alle Aufmerksamkeit zu sichern, und fuhr fort: «Ich kannte
     den Lenthe nicht sehr gut, er bewegte sich, nun ja, sagen wir: in anderen Kreisen. Obwohl man sich in einer so kleinen Stadt
     natürlich ständig trifft. Ständig! Leider. Wir sind uns auch einige Male bei Lichtenberg begegnet, er soll nun Professor in
     Gießen werden, heißt es, was ich aber übertrieben finde. Übertrieben. Er ist ja nur Philosoph und beschäftigt sich beständig
     mit seiner Elektrisiermaschine und der Mathematik. Die reinste Alchemie. Er ist auch viel zu klein, ein Zwerg sozusagen, und,
     unter uns gesagt, verkrüppelt, sein Buckel – nun ja. Trotzdem, abgesehen von einigen seltsamen Ansichten, ist er ein erstaunlich
     formidabler Kopf. Für eine so unglückliche Gestalt.»
    «Klemens Lenthe ist verkrüppelt?» Claes konnte sich nicht erinnern, davon auch nur das mindeste bemerkt zu haben.
    «Pardon? O nein, nicht der Lenthe. Lichtenberg. Ein Buckel. Leider.»
    «Sehr bedauerlich.» Christian hatte keine Ahnung, wer dieser Lichtenberg war. Strabenow jedenfalls war seit jeher und trotz
     der vielen studierten Jahre und des Lebens in Genua unerträglich umständlich geblieben und, wenn es nicht gerade ums Auswendiglernen
     ging, ganzgewiss
kein
formidabler Kopf. «Und was ist nun Besonderes mit Lenthe? Hat er in Göttingen etwas angestellt?»
    Spielschulden, dachte er, Chambres séparées, Duelle im Morgengrauen. Doch leider: Strabenows Auskünfte blieben so mager und
     unromantisch wie er selbst.
    «Angestellt? Das würde ich nicht sagen, obwohl ich natürlich nichts Genaues weiß. Und man soll kein falsches Zeugnis ablegen.
     Kein falsches Zeugnis. Ja. Ich glaube aber nicht, dass
der
Klemens Lenthe, den ich in Göttingen kannte, vermögend ist. Jedenfalls sah es nicht so aus. Es hieß auch, ein Verwandter bezahle
     ihm sein Studium, und er selbst soll geprahlt haben, er müsse sich nicht anstrengen, seine Zukunft sei so sicher, wie der
     Kurfürst von Sachsen König von Polen sei.»
    «Sehr leichtfertig», warf Bocholt ein und hob den Zeigefinger. «So eine Zukunft möchte ich nicht haben. Wer weiß denn, was
     die Zarin macht, wo sie jetzt gerade wieder gegen die Türken zieht, obwohl das natürlich nur recht und billig ist. Und die
     Polen selbst? Wer weiß, wer da morgen König wird? Ich weiß das nicht. Ich sage, nur der Handel schafft Sicherheit, nur der   …»
    «Der Handel, Bocholt. Wie recht du hast.» Claes konnte sich nicht mehr vorstellen, dass er ihn eben noch hatte küssen wollen.
     «Aber lass jetzt mal für einen Moment den Handel und die Könige. Seid Ihr sicher», wandte er sich wieder an Strabenow, «dass
     er derselbe ist?»
    «Wie kann ich das?» Strabenow hatte sich wieder in vermeintlicher Langeweile zurückgelehnt. «Ich sagte doch, dass ich nicht
     sicher bin. Womöglich gibt es zwei Männer mit diesem Namen, womöglich zwei aus Sachsen. Obwohl in Göttingen nicht viele Sachsen
     studieren. Wenn er hoch gewachsen ist, braunhaarig, stets gut gekleidet,ich würde sagen: über seine Verhältnisse gut, dann wird er es wohl sein.»
    Dummerweise wurde dieses

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