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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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der Actricen, bemalt
     und herausgeputzt wie eine welsche Dirne, eine Rose gegeben. Dazu nicht irgendeine von den wilden Büschen hinter dem Park,
     sondern eine von der seligen Madame Lenthe schönstem burgunderfarbenem Stock. Der Kerl habe sich auch noch erdreistet zu sagen,
     sie solle ihr Maul halten, Madame hätte sich darüber ganz sicher gefreut.
    Alexander Lenthe erfuhr nichts von diesem Frevel. Niemand, nicht einmal die Frau des Gärtners, reizte den Zorn des Hausherrn.
     In diesen Monaten konnte der jeden treffen, der an Karola Lenthe und besonders deren Vergangenheit erinnerte. So sagte ihm
     auch niemand, dass Emma an einem dieser Tage einen ganzen Nachmittag lang verschwunden gewesen war und die Leute im Dorf berichtet
     hatten, man habe sie vor der Komödienbühne gesehen.
    Als die Komödianten Wochen später zurückkehrten und wieder für einige Tage in Hardenstein blieben und spielten, schlich sie
     sich wieder davon. Diesmal hatte sie weniger Glück. Die Frau des Pfarrers, eine freundliche, leider stets und übermäßig an
     den Sorgen anderer Leute leidende Dame, beobachtete das Volk vor der Bretterbühne, voller Kummer um diese Gefährdung der Tugend
     der Gemeindekinder. Sie entdeckte Emma sofort und ruhte nicht, bis ihr in dieser Sache ungewöhnlich widerstrebender Gatte
     sich am nächsten Morgen auf den Weg zum Lenthe’schen Haus machte.
    Auch an diesem Tag betrat Emma die Bibliothek zu ihrer Unterrichtsstunde, und wie gewöhnlich erwartete Alexander Lenthe seine
     Tochter. Er drehte sich nicht nach ihr um, sondern verharrte vor dem Globus und fuhr mit den Fingern über die lackierte, mit
     der Erde bemalte Kugel aus mit Leder verleimter Leinwand. So hatte er in der letzten Zeit manchmal gestanden, wenn sie das
     Zimmer betrat, und gleich, ohne sie anzusehen, begonnen, ihr weiter die Welt zu erklären. Heute schwieg er und drehte nur
     behutsam den Globus. Endlich wandte er sich um und sah sie an.
    Seine Stimme war leise, als er zu sprechen begann. Vielleicht wäre sie das geblieben, hätte seine Tochter in stiller Scham
     den Kopf gebeugt, so wie er es erwartete. Das tat sie nicht. Es stimme, sagte sie, sie sei bei den Komödianten gewesen und
     könne nicht verstehen, was daran verwerflich sei. Verwerflich sei, dass sie sich dadurch mit den Fahrenden gemein mache wie
     eine Küchenmagd, antwortete er, und noch verwerflicher, dass sie sich zu dumm stelle, das zu wissen. Als lese er ihre Gedanken,
     fuhr er fort, es sei ein Unterschied, in einem Hoftheaterzu Gast zu sein oder sich im Staub eines Dorfplatzes unter Knechte und Schweine zu mischen und dem rohen Gelärm verderbter
     Possenreißer zuzusehen. Hier wurde seine Stimme schon lauter, und als er fortfuhr, griff seine Hand, als müsse er sie um etwas
     ballen, nach dem bronzenen Neptun neben seiner Schreibgarnitur.
    «Was glaubst du», rief er, «warum das Musikzimmer verschlossen ist? Willst du nicht begreifen, dass all dies für dich, für
     deine Zukunft geschieht? Um nichts anderes, als den Makel, der auf deiner Geburt liegt, vergessen zu machen, habe ich Musik,
     flatterhaften Gesang und Tanz verboten. Um nichts anderes. Deine Mutter hat das gewusst. Sie hat verstanden, dass die Tochter
     einer Sängerin makelloser sein muss als alle anderen. Sie hat verstanden, dass alles, was sie ihrer Tochter mitgegeben hat,
     getilgt werden muss, restlos getilgt, damit sie keine Schande über den Namen meiner Familie bringt. Willst du noch mehr Unheil
     anrichten? Ist es nicht genug? Botho würde noch leben, wenn du dich betragen hättest, wie ich es wünschte und wie es die Sitte
     fordert. Dein Bruder ist tot, deine Mutter ist an diesem Verlust zerbrochen und verloschen. Ist es nicht endlich genug? Soll
     ich dich einsperren wie einen tollen Hund?»
    «Wie Ihr meine Mutter eingesperrt habt? Und ihr alles verboten habt, was sie liebte? Ihr seid schuldig an ihrem Tod, als hättet
     Ihr sie verhungern lassen. Sie war ohne den geringsten Makel, Ihr habt sie dennoch verachtet. Sie ist lieber gestorben, als
     länger in diesem Haus zu leben. Mein Makel ist nicht sie, sondern dass Ihr mein Vater seid. Ich werde niemals, wie Ihr und
     Eure dummen Sitten es fordern. Ihr wollt mich auch einsperren? Es wird nichts nützen. Ich bin nicht gut und sanft wie sie,
     ichwerde entkommen. Ich will auch nicht sein wie Ihr, ich will sein wie die Komödiantinnen auf dem Markt   …»
    Später, als sie sich an diesen Moment zurückerinnerte, hatte sie gedacht, sie

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