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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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waren daran reich geworden und die Bergleute
     ein geachteter Stand mit mehr Privilegien und Freiheiten als die Angehörigen anderer Gewerke. Tausende hämmerten und gruben
     in den Tiefen des Harzes, auch viele Kinder, kaum einer wurde alt. Nicht nur wegen der endlosen Arbeitstage in kaum erhellter
     Dunkelheit und Staub, in Hitze und Kälte. In den oft meilenlang und bis 1500   Fuß tiefen Stollen drohten auch Einstürze und Wassereinbrüche. Die aufwendigen Systeme von parallel verlaufenden Wasserlösungsstollen
     und Schächten zum Abfluss des Wassers und die komplizierten Maschinerien zu dessenHebung konnten nicht verhindern, dass immer wieder Stollen vollliefen und für die Förderung der kostbaren Erze verloren gingen.
     Wenn durch eine der Rüböllaternen ein Feuer ausbrach, wenn sich die flachen Karren, Stützbalken und das Gerät entzündeten,
     rasten die Flammen unaufhaltbar und immer schneller durch die zugigen Stollen wie durch einen gigantischen Kamin.
    Schon lange kamen Besucher von weit her, um die Bergwerke, deren Stollen zu den längsten der Erde gehörten, und die Maschinerien
     zu besichtigen. Das wussten auch der Köhler und seine beiden Gehilfen in dem engen Tal südlich von Wernigerode. Allerdings
     hatten sie nie gehört, dass welche kamen, um eine dieser äußerst unbequem zu erreichenden verlorenen Minen zu besichtigen.
     Noch nie war jemand an ihren Meilern vorbei- und auf dem alten Pfad den Berg hinaufgeritten. An diesem Morgen, den sie bis
     dahin für keinen besonderen gehalten hatten, geschah das gleich zweimal. Während die ersten beiden Reiter sie kaum beachtet
     hatten, verlangten die, die etwa eine Stunde später auf die Lichtung ritten, Auskunft. Sie stiegen nicht, wie es sich gehörte,
     aus dem Sattel, um zunächst ein wenig über das Wetter oder die drohende Konkurrenz durch die schwere englische Kohle zu reden
     und einen Becher Wasser zu teilen, sondern forderten gleich und mit Ungeduld in den Stimmen Auskunft. Die gab der jüngere
     Gehilfe, geschickt die Kupfermünze auffangend, bereitwillig.
    Ja, zwei Reiter seien vorbeigekommen und den steilen Pfad hinaufgeritten, der führe zur Mine, habe der eine dem anderen zugerufen.
     Was einen vergeblichen Weg bedeute, denn deren Stollen seien längst abgesoffen. Nein, sie hätten nicht nach dem Weg gefragt,
     der eine, der größere,habe sich wohl ausgekannt, obwohl er ihn hier nie zuvor gesehen habe. Doch, der Weg sei einfach zu finden: immer bergauf und
     dann auf dem Pfad hoch über der Schlucht am Berg entlang.
    «Wartet!», hatte er gerufen, als die beiden ihre Fersen schon in die Flanken ihrer Pferde drückten. Später gabele sich der
     Weg noch einmal, bei dem Kreuzstein. Viel zu umständlich, fanden Christian und Filippo, erklärte der Junge, wie sie von dort
     den richtigen Weg zur Mine erkennen konnten.
     
    An heiteren Sommertagen, dachte Rosina, müsse dieser Pfad am bewaldeten Abhang hoch über dem in der Schlucht rauschenden Bach
     ein Vergnügen sein. Jetzt war er eine Strapaze. Um die Bergkuppen hing grauer Dunst, harsche Schneereste und Eisbrocken zwischen
     den Steinen machten den Weg unsicher. Vor jeder Biegung erwartete sie, dahinter sei er abgebrochen, unter der Wucht der Herbstregen
     und der Schneemassen des Winters einfach den Abhang hinuntergerutscht, nichts als kahle Felsen hinterlassend. Doch es ging
     immer weiter, und obwohl der Fuchs niemals über solche Wege gegangen war, suchte er sich behutsam und geduldig seinen Weg.
    Schon nachdem sie die Köhlerei passiert hatten, führte der Pfad eng und steinig bergauf. Nach einer weiteren Weggabelung wurde
     er noch steiler und schmaler. Obwohl sie Wernigerode erst vor zwei oder drei Stunden verlassen hatten, fror sie, und ihre
     Muskeln schmerzten schon. Klemens kannte die Schlucht, dennoch ließ er sie auch jetzt vorausreiten. Wieder wand sich der Weg
     um einen schroff vorspringenden Felsen, und als habe er an ihrem steifer werdenden Rücken erkannt, dass sie sich nichtsmehr wünschte als eine kleine Rast, bat er sie, zu halten und abzusteigen. Die Stelle war gut gewählt. Der Pfad weitete sich
     hier um einige Fuß zu einem länglichen Platz, gerade Raum genug für zwei Reiter und ihre Pferde. Ein in Jahrtausenden vom
     Regen beinahe rund gewaschener Felsblock lud zum Sitzen ein.
    Rosina stieg behutsam aus dem Sattel und warf die Zügel über die Zweige einer jungen Fichte. Sie reckte ihre steifen Glieder,
     rieb die Hände warm und betrachtete verstohlen

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