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Die ungehorsame Tochter

Die ungehorsame Tochter

Titel: Die ungehorsame Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Pferd für mich ausgesucht?»
    «Das beste, das zu haben war. Was allerdings nicht viel heißt, aber es wird gehen. Seid Ihr ganz sicher, dass Ihr reiten wollt?»
    «Ganz sicher.»
    Er nickte, und sie versuchte, in seinem Gesicht zu lesen. Da war nichts, was sie zu lesen verstand. Er schien einzig das Paar
     auf der Bühne zu beobachten. Schließlich glitt sein Blick hinauf zu der leeren Galerie, dann sah er sie an.
    «Es wird ein harter Ritt werden», sagte er. «Und womöglich ein gefährlicher. Die Straßen sind jetzt aufgeweicht, wir werden,
     wo immer das möglich ist, Nebenpfade suchen müssen, um die Pferde zu schonen und besser voranzukommen. Trotzdem müssen wir
     uns an die großen Straßen halten, die Räuberbanden sind nach dem harten Winter besonders hungrig.»
    «Meine Hände kennen die Zügel, und ich bin weitaus beschwerlichere Reisen gewohnt.» Sie hob ihre Hände und zeigte ihm deren
     Flächen. «Ihr vergesst, dass mir all das nicht neu ist.»
    «Nein», sagte er. «Wie könnte ich das vergessen.»
    N A C H M I T TAGS
    «Vater?»
    Claes Herrmanns ließ die Zeitung sinken und sah auf. Vor ihm stand seine Tochter, eine schlanke Gestalt in einemeleganten, hochgeschlossenen Kleid aus dunkelblauem Taft. Trotz ihres sanften Schimmers unterstrichen die winzigen Perlen
     in ihrem eng um den Kopf frisierten nussbraunen Haar und den Spitzenvolants ihrer Ärmel die Strenge und Kühle ihrer Erscheinung.
     «Störe ich dich?»
    «Sophie», sagte er, bemüht, seine Stimme launig klingen zu lassen, und erhob sich wie vor einer Besucherin. «Natürlich störst
     du nicht. Geht es dir besser?»
    «Ja. Es war nur eine kleine Schwäche, gewiss von der Anstrengung der Reise. Nun geht es mir wieder gut.»
    Sie glitt auf einen Stuhl gegenüber dem seinen und bat ihn mit einer leichten Handbewegung, wie er sie früher nie bei ihr
     bemerkt hatte, sich wieder zu setzen. Er versuchte das muntere Mädchen in ihrem Gesicht wiederzufinden, als das sie ihn vor
     mehr als vier Jahren verlassen hatte. Sie war kaum verändert, und doch erschien sie ihm größer und als eine fremde junge Dame.
     «Sie hat lange in einer anderen Welt gelebt«, hatte Anne gesagt, «sie ist erwachsen geworden. Lass dir Zeit und ihr auch.»
    Nun, so fand er, war genug Zeit verstrichen. Seit ihrer Ankunft hatte sie ihr Zimmer kaum verlassen, die Fragen, die ihm seither
     den Schlaf raubten, erlaubten keinen längeren Aufschub. Dennoch war er nicht sicher, ob er ihre Antworten wirklich hören wollte.
     Als Anne geraume Zeit später den Salon betrat, gefolgt von Elsbeth und Betty mit Tabletts voller Kuchen, Konfekt und heißer
     Schokolade, traf sie ihren Gatten und ihre Stieftochter in einem Gespräch über die Vorzüge des nach dem verheerenden Erdbeben
     wiederaufgebauten Lissabon. Die Probleme des Portweinhandels hatten sie schon absolviert.
    «Gewiss sind schnurgerade Straßen von Vorteil», sagteClaes, «obwohl sie wenig geeignet sind, den Wind zu brechen.»
    «Gewiss», antwortete Sophie, «der Wind. Aber du weißt, wie heiß die Sommer dort sind, oft unerträglich heiß. Der Wind ist
     dann ein rechtes Labsal.»
    Es nützte nichts. Sie würden noch Stunden um den heißen Brei herumreden, der in diesem besonderen Fall Martin Sievers hieß
     und Sophies offensichtlich nicht mehr heißgeliebter Ehemann war. Wenn man sie ließe.
    Anne schenkte Schokolade ein, und Sophie sagte: «In den Gärten ist es natürlich immer sehr angenehm. Es gibt wunderbare Gärten
     dort.»
    Anne balancierte zarte Zitronenbiskuits auf die Teller, und Claes sagte: «Ja, die Gärten. Wunderbar, die reinsten Kunstwerke.
     Bei Bootspartien auf dem Tejo ist der Wind auch sehr angenehm.»
    «Und Martin?», fragte Anne. Sie blies sanft in die dampfende Schokolade und nahm den ersten Schluck. «Martin liebt gewiss
     auch den Wind auf dem Tejo. Wie geht es ihm?»
    «Nun», begann Sophie, Claes beugte sich über seine Biskuits, und Schweigen senkte sich über den Raum.
    «Martin kennt weder Gärten noch Bootspartien», stieß Sophie schließlich mit einem Seufzer hervor. «Also geht es ihm ausgezeichnet.
     Er lebt nur für den Handel, das macht ihn glücklich. Alle Tage hockt er im Kontor und im Hafen, und wenn er am Abend heimkommt,
     erzählt er mir von seinen grandiosen Abenteuern. Ich weiß jetzt alles über den Unterschied der Rosinen von Smyrna und von
     Brindisi und über die Dichte der verschiedenen Baumwollfäden, nicht zu vergessen die Gallenbeschwerden des Schreibers im

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