Die Ungetroesteten
ich den Jungs das jemals am Sonntag erklären? Also als ich heute morgen aufgestanden bin, Mr. Ryder, da habe ich mir gesagt, ich muß ihn finden, ich muß Mr. Ryder wenigstens darauf ansprechen, die Jungs verlassen sich darauf. Aber dann gab es so viel zu tun, und auch Sie würden ja wohl einen sehr vollen Terminplan haben, und da dachte ich mir eben, na ja, daß ich meine Chance vertan hätte. Und deshalb, sehen Sie, bin ich so froh, daß wir uns hier zufällig über den Weg gelaufen sind, ich hoffe, Sie haben nichts dagegen, daß ich Sie darauf anspreche, und wenn Sie natürlich meinen, wir würden Unmögliches verlangen, dann würden wir Sie selbstverständlich nicht mehr damit behelligen, die Jungs würden das akzeptieren, o ja, ganz bestimmt.«
Wir waren um eine Ecke gegangen und befanden uns jetzt auf einer breiten, betriebsamen Straße. Gustav schwieg, während wir bei einer Ampel über eine Kreuzung gingen, und erst als wir auf der anderen Seite waren und an einer Reihe italienischer Cafés vorbeikamen, sagte er:
»Ich bin sicher, Sie haben schon erraten, um was ich Sie bitten wollte. Alles, was wir uns wünschen, ist ja nur eine kurze Erwähnung. Das ist schon alles, Mr. Ryder.«
»Eine kurze Erwähnung?«
»Bloß eine kurze Erwähnung. Wie Sie ja wissen, haben viele von uns im Laufe der Jahre immer und immer wieder daran gearbeitet, die in dieser Stadt herrschende Einstellung unserem Beruf gegenüber ändern zu wollen. Wir haben vielleicht auch ein wenig Erfolg gehabt, aber im großen und ganzen ist es uns nicht gelungen, einen umfassenden Durchbruch zu erzielen, und so, na ja, so ist es doch nur allzu verständlich, daß wir alle ziemlich niedergeschlagen sind. Schließlich werden wir alle nicht jünger, und dann denken wir auch, daß sich die Dinge wohl nie ändern werden. Aber ein Wort von Ihnen heute abend, Mr. Ryder, könnte womöglich den Lauf der Ereignisse ändern. Es könnte ein denkwürdiger Wendepunkt für unseren Berufsstand sein. So sehen es die Jungs. Tatsächlich sind manche überzeugt, daß dies unsere letzte Chance ist, jedenfalls für unsere Generation. Wann werden wir jemals wieder eine solche Chance bekommen? Das fragen sie ständig. Also deshalb spreche ich Sie jetzt darauf an, Mr. Ryder. Natürlich, wenn Sie glauben, es ist nicht so ganz das Wahre, und dafür hätte ich dann auch wirklich Verständnis, schließlich sind Sie hergekommen, um einige höchst bedeutungsvolle Probleme zur Sprache zu bringen, und unsere Angelegenheit ist ja nur eine Kleinigkeit. Wichtig für uns, aber global gesehen sicher nur eine Kleinigkeit. Also, Mr. Ryder, wenn Sie meinen, es ist unmöglich, dann sagen Sie das bitte, und dann werden wir Sie selbstverständlich nicht mehr damit behelligen.«
Ich überlegte einen Moment, und die ganze Zeit war ich mir bewußt, daß er mich von hinter seinem Karton intensiv musterte.
»Also Sie schlagen vor«, sagte ich nach einer Weile, »daß ich während... während meiner Rede an die Bürger dieser Stadt eine kurze Erwähnung Sie betreffend hinzufüge.«
»Allerhöchstens ein paar Worte, Mr. Ryder.«
Die Vorstellung, dem ältlichen Hoteldiener und seinen Kollegen auf diese Weise behilflich zu sein, hatte natürlich etwas durchaus Reizvolles. Ich überlegte einen Moment und sagte dann: »Na schön. Ich werde gerne ein paar Worte in Ihrer Sache sagen.«
Ich hörte Gustav tief Luft holen, als die Bedeutung meiner Antwort zu ihm durchdrang. Dann sagte er ganz leise:
»Wir werden ewig in Ihrer Schuld stehen, Mr. Ryder.«
Er wollte noch etwas sagen, aber irgendwie war ich ganz begeistert von der Idee, wenigstens noch für eine Weile seine Versuche, mir seine Dankbarkeit auszudrücken, zu vereiteln.
»Ja, denken wir doch mal darüber nach, wie können wir das anfangen?« sagte ich schnell und nahm einen gedankenverlorenen Gesichtsausdruck an. »Ja, ich könnte, wenn ich das Podium betrete, etwa folgendes sagen: ›Bevor ich beginne, möchte ich kurz auf eine kleine, aber interessante Angelegenheit eingehen.‹< So etwas in der Art. Ja, das ließe sich problemlos machen.«
Plötzlich sah ich die Versammlung entschlossener alter Männer an einem Kaffeehaustisch lebhaft vor mir, und ich sah auch den Ausdruck auf ihren Gesichtern – Ungläubigkeit, unfaßbare Freude -, wenn Gustav ihnen die Neuigkeit verkündete. Ich sah mich in ihrer Mitte stehen, ruhig und bescheiden, und ihre Gesichter würden mir zugewandt sein. Währenddessen war ich mir die ganze Zeit bewußt,
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