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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Marion Weiß
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Vielleicht mit einem kleinen Handicap,
einem Klumpfuß, einem Buckel oder einem hängenden Augenlid. Das war realistischer.
Deshalb wollte ihn seine Angebetete auch nicht erhören. Beide Männer brauchten Geld,
viel Geld. Der Galerist konnte sich dann von seiner langweiligen, ewig nörgelnden
Ehefrau scheiden lassen, denn das war ja ziemlich teuer heutzutage. Dann würde er
mit seiner Geliebten auf und davon und ein neues Leben beginnen, auf einer griechischen
Insel oder in Neuseeland oder in Kanada. Der Maler konnte sich von einem Schönheitschirurgen
operieren lassen, und dann würde ihn seine Lydie nehmen, was allerdings ein schlechtes
Licht auf ihren Charakter warf. Oder aber er würde ebenfalls auf und davon, nach
Tahiti, wie Gauguin, und dort seine wahre Liebe finden. Das war vielleicht noch
stilvoller. Natürlich musste das Ganze irgendwann auffliegen und eine rasante Verfolgungsjagd
beginnen, vielleicht mit einem cleveren, attraktiven Kommissar. Die Frage war, ob
die beiden geschnappt werden sollten oder nicht.
    Der Verkehr
hatte nun stark zugenommen. Paula musste sich jetzt ganz aufs Fahren konzentrieren.
Es war kurz vor zwölf, und alle schienen auf dem Weg zum Mittagessen zu sein. Wie
die Franzosen es bloß schafften, in dieser Hitze ein Vier-Gänge-Menü runterzubringen.
Und dazu noch Rotwein zu trinken. Sie selbst wäre für den Rest des Tages erledigt.
Aber vielleicht sollte sie doch in Saint-Paul anhalten und im ›Pâquerette‹ eine
Kleinigkeit essen, irgendwas Leichtes. Und was trinken.
    Der Ort
der Handlung war klar. Es musste hier spielen, in der Provence. Die Frage war nur,
aus welcher Perspektive sie das Ganze erzählen sollte. Und sie musste natürlich
recherchieren.
    Paula schaffte
ihren Salat nur zur Hälfte. Sie nahm noch einen Schluck Wasser und schaute auf die
Uhr. Fast schon zwei. Der Kellner würde bestimmt froh sein, wenn sie endlich den
Platz räumte. Sie zahlte und ging zum Auto.
    Plötzlich
kam ihr eine Idee. Sie kramte in ihrer Handtasche. Na, da hatte sie’s ja. Die Visitenkarte
des talentierten Kopisten. Jean-Luc Bardèche, 7, rue Grimaud, Vence. Wie praktisch.
Sie musste gar nicht nach Tourrettes rauf.
    Ungeduldig
fummelte sie mit dem halb zerrissenen Faltplan herum. Diese Dinger waren noch nie
ihr Fall gewesen. Ah. Dachte sie sich’s doch. Die rue Grimaud war gleich hinter
der Kirche. Sie würde jetzt ins Hotel zurückfahren, sich ein bisschen hinlegen und
dann am Spätnachmittag bei Bardèche vorbeischauen.
    Natürlich
war der Plan etwas ungewöhnlich. Oder verwegen? Ach was. Sie wollte ja nur ausprobieren,
ob sich der junge Maler zum Fälschen überreden ließe. Wollte mal schauen, ob er
für Geld zu haben sei. Nur so tun, als ob.
     
    »Sind Sie denn total übergeschnappt?
Für wen halten Sie mich?« Bardèche lief puterrot an. »Wie kommen Sie auf so eine
Schnapsidee?« Er schaute sie aus zusammengekniffenen Augen an. »Ach ja, das ist’s.
Jetzt verstehe ich. Ihr väterlicher Freund, der Galerist. Der hat Sie geschickt.«
    Oh je. Philippe.
Den hatte sie wirklich nicht mit reinziehen wollen.
    »Na klar,
er war’s. Wahrscheinlich läuft seine Klitsche nicht mehr so gut. Wahrscheinlich
verschlingen seine Weibergeschichten das ganze Geld. Der alte Bock. Sie waren mir
sowieso ein komisches Pärchen.«
    »So eine
Unverschämtheit! Was erlauben Sie sich, Sie … Sie …«
    »Sie Flittchen!
An Ihrer Stelle würde ich den Mund halten. Wenn ich Sie nämlich anzeige – und das
werde ich tun, da können Sie Gift drauf nehmen –, dann werde ich Sie nicht nur wegen
Anstiftung zur Fälscherei dran kriegen, dann werde ich auch …«
    »Monsieur
Bardèche, ich muss Ihnen das erklären, bitte. Ich bin nämlich Schriftstellerin …
äh, das heißt, ich schreibe gerade … äh … das heißt, als ich Ihre Kopien sah und
Sie sich über das Bilderfälschen unterhielten, da kam mir plötzlich die Idee. Eine
Geschichte über ein Fälscherkomplott. Ich wollte doch nur recherchieren. Ich wollte
doch nur sehen, wie Sie reagieren.« Sie verhaspelte sich. »Es tut mir wirklich leid,
ich wollte Ihnen nichts unterstellen. Und beleidigen wollte ich Sie schon gar nicht.«
    »Ha! So
was habe ich noch nie gehört. Das ist ja eine tolle Ausrede. Wirklich fantastisch.
Na, zumindest haben Sie Fantasie. Denken Sie, ich bin so blöd, diesen Quatsch zu
glauben?«
    Nach minutenlangem
Hin und Her musste Paula einsehen, dass alles Reden umsonst war. Bardèche würde
zur Polizei gehen.
    Sie stolperte
aus dem

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