Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
lassen wir das. Santé.«
Flughafen Nizza, passagers
de Francfort, Gate 3. Oh, da war er ja schon. Simon, huhu! Paula winkte heftig.
»Mädchen,
du siehst ja prima aus.« Simon umarmte sie und schob sie dann wieder ein Stück von
sich weg. »Das blühende Leben. Und ich hab geglaubt, hier ein bleiches Häuflein
Elend vorzufinden.«
Paula strahlte.
Ach, ja, sie war ja auch ein Häuflein Elend gewesen.
»Komm, lass
uns schnell hier weg. Mein Wagen steht dort drüben. Das rote Cabrio. Du wirst sicher
froh sein, wenn du dich frisch machen kannst, bei der Hitze.«
Satte 29
Grad, kein einziges Wölkchen, der Himmel blitzblau. Côte d’Azur.
Sie brausten
los. Zuerst am Meer entlang, dann durch die Olivenhaine ins Hinterland, vorbei an
Zypressen und Oleanderbüschen.
»So schön
habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich dachte, es wäre hier viel karger um diese
Jahreszeit.«
»Was, du
warst noch nie hier? Ich dachte, du hättest alles schon zig Mal gesehen.«
»Ich habe
immer nur die Küste abgegrast – Nizza, Cannes, Saint-Tropez, die üblichen Schickimicki-Orte
eben. Das Hinterland hat mich damals nicht interessiert, ich war mehr auf Trubel
aus. Dumm von mir. Da scheint mir viel entgangen zu sein.«
»Na, dann
holen wir das eben jetzt nach. Wie lange kannst du bleiben?«
»Ach, ich
weiß noch nicht. Wie lange wolltest du denn bleiben?«
»Keine Ahnung.
Im Moment darf ich ja gar nicht weg, selbst wenn ich wollte. Die Kripo hat zwar
schon gecheckt, dass ich ich bin und nicht die Komplizin eines profitgierigen Gauners,
aber … na ja, Entwarnung hat es offiziell noch nicht gegeben. Doch ich denke, dass
sich das bald erledigt hat.« Ihr linkes Auge zuckte. »Allerdings, was Robert anbelangt
– ich weiß ehrlich nicht, wie das weitergehen soll. Also bleib ich erst mal hier.«
»Sehr gut.
Vergiss es einfach.« Er tätschelte ihr die Hand. »Wir machen uns jetzt ein paar
schöne Tage zusammen.«
Beim Abendessen
machte sie Simon mit Philippe bekannt. Die beiden waren sich offenbar auf Anhieb
sympathisch. Das war ja auch kein Wunder, denn Gesprächsstoff gab es reichlich.
Und Philippe war feinfühlig genug, um sich im richtigen Moment zurückzuziehen.
In dieser
Nacht geschah es dann. Es war ja auch eine Nacht, um Helden zu zeugen. Und der Rotwein
tat das Seine hinzu. Sie badeten nackt in Monsieur Cliquots Haifischbecken und wälzten
sich nackt auf Monsieur Cliquots gepflegtem Rasen – ob der wohl entzückt gewesen
wäre? Vorsichtshalber mieden sie die kleine Gruppe von Feigenkakteen, mit der der
Hotelier seine Gartenanlage verschönert hatte.
Am nächsten
Morgen, beim Frühstück, warf Simon einen Blick in die ›Gazette de Vence‹, die er
sich vom Nebentisch geangelt hatte.
»Oh, Paula,
hör mal. Ende der Woche findet der ›Literarische Salon‹ von Aix statt. Ich habe
ganz vergessen, dass der ja immer im September ist.«
Der ›Literarische
Salon‹? Ja, die Attraktion in Literatenkreisen. Alles, was in Frankreich
Rang und Namen hatte, kam hierher. Paula hatte noch nie davon gehört.
»Sieh nur,
auf dem Programm stehen Jean Martiguez und Amélie Amadoux. Da müssen wir unbedingt
hin.«
Ja, das
war klar. Martiguez und Amadoux, die konnten sie sich auf keinen Fall entgehen lassen.
Die Veranstaltung sollte drei Tage dauern, und von Aix aus könnten sie doch noch
weiter, nach Arles und nach Nîmes oder in die Camargue. Bis dahin hatte sich dann
ja auch die unangenehme Geschichte mit der Police judiciaireerledigt, todsicher.
Und bis
dahin liebten sie sich. So oft es ging. Es ging nicht immer. Aber das machte nichts.
Paula schwebte auf kitschig-rosa Wolken.
Am Freitag konnten sie dann tatsächlich
losfahren, nach Aix, zu Martiguez und Co. Und was dort geboten wurde, war einfach
phänomenal. Simon gelang es sogar, ein Interview mit Amélie Amadoux zu machen. Paula
erstarrte vor Ehrfurcht. Sie erstarrte drei Tage lang.
Dann ging’s
weiter, Richtung Camargue. Und mitten hinein in den Mistral.
»Könntest
du irgendwo anhalten? Ich muss mal für kleine Jungs.«
Paula nickte
und steuerte den Wagen an die Seite, unter ein kleines dürres Bäumchen, das wenig
Schutz bot.
»Was, hier?
Da kann man mich doch von überall sehen.«
Ach nee.
So prüde? Es war doch weit und breit keiner da.
»Also, bei
diesem Massenbetrieb …« Sie grinste.
Simon stieg
langsam aus und ging zu dem Bäumchen. Er öffnete die Hose. Und was dann geschah,
das war kinoreif. Er stellte sich nämlich auf die falsche Seite. Nicht
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