Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Atelier hinaus auf die Straße und setzte sich ins Auto. Was sollte sie jetzt
bloß tun? Eigentlich war sie mit Philippe zum Abendessen verabredet. Am liebsten
hätte sie abgesagt, Unwohlsein vorgetäuscht, sich im Bett verkrochen. Aber was half’s?
Es würde nichts ändern, es würde die Sache nur verzögern. Sie grübelte und grübelte.
Doch wie sie es auch drehte und wendete, der Karren war verfahren.
»Na, Paula, keinen Appetit heute?
Oder bist du wieder auf Diät? Das hast du doch nicht nötig.«
Paula schwieg.
Sie spielte mit ihrer Stoffserviette.
»Hallo,
schöne Frau.« Philippe wedelte mit der Menükarte vor ihrem Gesicht herum. »Was ist
denn los mit dir?«
Sie bog
nun die Enden der Tischdecke hin und her. »Philippe, ich glaube, ich habe großen
Mist gebaut.«
»Was heißt
das, Mist gebaut? Hast du den falschen Laptop gekauft? Oder hast du den Mietwagen
zu Schrott gefahren?«
»Schlimmer,
viel schlimmer.«
Stockend
begann sie, von ihrem Besuch bei dem jungen Kopisten zu berichten. Von ihrer Idee,
eine Fälschergeschichte à la Tom Ripley zu schreiben. Von Bardèches Drohung, sie
beide anzuzeigen.
Philippes
Miene veränderte sich, während Paula erzählte.
»Na, das
hast du aber fein gemacht. Weißt du, was das für einen angesehenen Galeristen bedeutet?
Wenn das Wort ›Fälschung‹ im Zusammenhang mit seinem Namen auftaucht? Ist dir nicht
klar, dass das das Ende einer Galerie sein kann?« Er schüttelte den Kopf. »Ich hätte
nicht gedacht, dass du so naiv bist.«
Töricht
wäre wohl das treffendere Wort gewesen.
Paula fing
zu weinen an.
»Ich wollte
doch nichts Böses, ich wollte doch nur recherchieren. Dass du da mit hineingezogen
werden könntest – auf die Idee bin ich überhaupt nicht gekommen, keinen Moment lang.«
Die Wimperntusche lief ihr in die Augen und brannte.
Philippe
griff in seine Jacketttasche und zog ein Taschentuch heraus.
»Da, wisch
dir erst mal das Gesicht ab. Was sollen bloß die Leute denken?«
Sie schniefte
immer noch. »Was machen wir denn jetzt?«
»Jetzt lass
uns erst mal fertig essen, es wäre wirklich schade um das Menü. Dann sehen wir weiter.«
Später in
der Bar kauten sie die ganze Geschichte noch einmal durch.
»Also, wenn
ich sage, dass ich Schriftstellerin bin ….«
»Excusez-moi . Darf ich kurz stören?« Monsieur Cliquot beugte sich zu ihnen. »Da draußen sind zwei
Herren, die Sie beide sprechen möchten. Sie sitzen im Foyer.«
Kriminalbeamte
in Zivil. Aber – wieso hatten die sie so schnell gefunden? Ach ja, natürlich. Sie war es doch gewesen, die Bardèche erzählt hatte, dass sie im ›Fleurs d’été‹ wohnten.
Typisch. Dümmer ging’s nimmer.
Oh, Paula,
Paula. Erst die Sache auf dem Polizeirevier, mit diesem Gisbert Ringelhahn. Wobei
das noch irgendwie komisch gewesen war. Und jetzt das hier. Aber das hier war überhaupt
nicht mehr lustig. Vollends im Ausland.
»Madame,
Monsieur, wir sind hier wegen einer Anzeige. Einer Anzeige von einem Monsieur Bardèche.
Sie kennen ihn?«
Beide nickten,
Paula mit hochrotem Gesicht. Der ältere der beiden, wohl der Kommissar, legte dar,
was der Maler behauptet hatte. Ob das so stimme? Paula schüttelte heftig den Kopf.
Nein. Nicht so. Schon so, aber doch ganz anders. Nein, nein, kein Scherz. Das wäre
ja auch ein schlechter Scherz gewesen, oder? Eine Recherche. So was wie verdeckte
Ermittlungen. Das gebe es doch auch bei ihnen, oder nicht? Na, dann eine Recherche
eben. Für einen Roman. Nein, direkt veröffentlicht sei noch nichts von ihr. Zumindest
kein Buch.
Hm. Paula
Assmann also. Aus Deutschland? Woher denn? Aus Bremen? Verheiratet? War ihr Mann
auch hier? Nein? Professor Robert Assmann. Professor für was? Ach, emeritiert. Und
dann nicht mit seiner Frau im Urlaub? Hm. Stirnrunzeln.
Die beiden
Kriminalbeamten machten sich Notizen. Dann fragten sie Paula nach ihrer Beziehung
zu Monsieur Thévenon. Thévenon, Philippe, 79 Jahre alt, Galerist aus Valence. Ganz
offensichtlich hatten die zwei schon Nachforschungen angestellt.
Philippe
Thévenon. Nur eine Urlaubsbekanntschaft. Der reine Zufall, dass sie sich kennengelernt
hatten, hier im Hotel. Ein Zufall, ja. Genau so war das. Nicht mehr und nicht weniger.
Philippe nickte bestätigend.
»Das werden
wir überprüfen.« Der Kommissar nickte und blickte nochmals auf seine Notizen. »Sie
reisen doch noch nicht so schnell ab?«
Zweifaches
Kopfschütteln.
»Gut. Wir
wären Ihnen nämlich sehr verbunden, wenn Sie sich zur Verfügung halten
Weitere Kostenlose Bücher