Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
zugeben, dass Simons Verschwinden nach deinem Besuch ein höchst merkwürdiges
Zusammentreffen ist. Und wenn ich daran denke, wie wütend du auf ihn warst, nachdem
er dich hat sitzen lassen …«
»Und deshalb
bringe ich ihn um?«
»Ich weiß
nicht mehr, was ich denken soll.«
»Na, du
machst mir Spaß. Was wolltest du eigentlich mit diesen schönen Unterlagen machen?
Einrahmen vielleicht?«
»Was heißt
hier ›wolltest‹? Wo sind die Unterlagen überhaupt?«
Paula stand
auf. »Also, ich packe jetzt. Ich ziehe erst mal zu Jule. Und wehe, du lässt mir
das Konto sperren.«
»Das hatte
ich nicht vor. Aber wenn du glaubst, dass es von den Unterlagen keine Kopie gibt,
bist du auf dem Holzweg. Gerade du müsstest doch wissen, wie das heute mit den elektronischen
Medien geht.«
Natürlich
wusste Paula das. Und sie wusste auch, wo dieser unsägliche Mensch seine Detektei
hatte. Vielleicht sollte sie ihn mal anheuern, falls Robert doch noch Schwierigkeiten
machte.
Kapitel 16
»Also, das ist jetzt blöde. Christian
geht es im Moment so schlecht, dass er die meiste Zeit hier ist. Du kannst natürlich
das kleine Zimmer haben, aber das ist keine Dauerlösung.«
»Das soll’s
ja auch nicht sein, Jule. Aber ich muss erst mal was Passendes finden.«
Hatte Jule
nicht gesagt, ein Mann in ihren vier Wänden, das käme nie in Frage? Das würde nie
gut gehen?
»Und warum bist du ausgezogen, so
Hals über Kopf?«
»Du, Christian,
entschuldige mal, aber darüber möchte ich wirklich nicht reden.«
»So ein
Schritt muss doch überlegt sein. Man plant doch so etwas.«
»Hör, ich
sagte doch, ich will nicht …«
»Also, ich
an deiner Stelle würde nach einer Einzimmerwohnung in der Vahr schauen, dort ist
es preislich noch relativ günstig.«
»Du bist
aber nicht an meiner Stelle.«
»Wie steht
es denn um deine Finanzen? Hast du genügend Rücklagen?«
»Jetzt mach
mal einen Punkt. Das geht dich wirklich nichts an.«
»Also, ich
könnte mir nie vorstellen, so einfach auszuziehen.«
»Du bist
doch auch aus heiterem Himmel hier angerauscht, oder nicht? Damit hat Jule auch
nicht gerechnet.«
»Das ist
etwas ganz anderes. Und damit du’s nur weißt, Jule hat damit gerechnet. Sie
hat es mir förmlich aufgedrängt.«
»Mir scheint
eher, du hast dich ihr aufgedrängt.«
Prompt griff
er sich ans Herz – oder war es der Magen – und verzog das Gesicht.
»Könntest
du mir ein Glas Wasser holen, für meine Tabletten?«
»Die kannst
du dir selbst holen. Ich bin doch nicht deine Krankenschwester.«
Paula stand
auf und ging hinaus. Das hatte wirklich keinen Zweck. Ob sie zu Markus sollte? Aber
dessen Bude war auch nicht sonderlich groß.
Drei Tage und neun Wohnungsbesichtigungen
später stand Paula mit ihren beiden Koffern und dem Laptop bei Markus vor der Tür.
»Wie schön,
dass du da bist. Du weißt doch, Raum ist in der kleinsten Hütte.« Er grinste und
umarmte sie. »Fühl dich wie zu Haus.«
Und schon
stand die Whiskyflasche auf dem Tisch.
»Ist das
nicht ein bisschen früh?«
»Ach was,
zur Feier des Tages – man muss doch nicht immer bis Sonnenuntergang warten. Nicht,
bis der Tag geht und Johnny Walker kommt.«
Gottlob
war es auch kein Johnny Walker, sondern ein Tullamore Dew, Paulas ganz besonderer
irischer Freund.
»Also, dass
dieser Christian ein Kotzbrocken ist, das wusste ich schon längst. Er ist mir auch
mal dumm gekommen.«
Das konnte
sich Paula lebhaft vorstellen.
»Ich verstehe
Jule nicht, dass sie sich mit diesem Oberschulmeister abgibt. Sie ist doch sonst
so patent.«
»Du, Markus,
mir ist das auch schleierhaft. Aber vielleicht hat er ja verborgene Qualitäten.«
»So wie
ich?«
»So wie
du.« Paula kicherte.
Es wurde
ein lustiger Abend. Sie ließen die alten Zeiten aufleben, als ob es Robert nie gegeben
hätte. Pfeif auf Robert.
»Vielleicht
hätten wir damals doch zusammenbleiben sollen.«
»Na, ich
weiß nicht.« Paula räkelte sich zwischen den Laken. Das wäre wahrscheinlich genauso
in die Hose gegangen wie mit Robert. Wenn auch aus anderen Gründen.
»Ach, was
soll die Vergangenheit. Carpe diem.« Markus griff über sie hinweg zum Whiskyglas
und drückte es ihr in die Hand. »Wir lassen’s uns jetzt einfach gut gehen.«
Aber irgendwann
kam das leidige Thema dann doch auf. Paula erzählte ihm natürlich nicht alles. Nur
so viel wie nötig – dass sein unsäglicher Bruder sie habe beschatten lassen.
»Warum denn
bloß? Ich denke, die Sache mit Simon ist längst
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