Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
recht zivilisiert benommen. Komisch, da musste erst einer sterben, damit man
wieder miteinander redete. Aber sich deshalb gleich zu versöhnen, womöglich wieder
bei ihm einzuziehen – nein, das kam nicht in Frage. Aber wir würden doch viel sparen.
Typisch Robert.
Sie hatte
es sich allerdings nicht verkneifen können, den guten Markus anzupflaumen.
»Sag mal,
musstest du unbedingt diesen Wulffhorst ausgraben?«
»Paula!
Das sind wir Simon schuldig. Das ist doch das Mindeste, was wir tun können.«
»Und mir
fühlt ständig Hauptkommissar Strehler auf den Zahn und stiehlt mir meine Zeit –
ausgerechnet jetzt, wo ich den Kopf für die Verlagsgeschichte frei haben muss.«
»Meine Güte,
das eine hat doch nichts mit dem anderen zu tun. Und vielleicht kann dieser Wulffhorst
ja wirklich Licht in die Angelegenheit bringen. Es ist doch in unser aller Sinn,
wenn die Sache zu einem Abschluss kommt.«
Gestürzt oder gestoßen? Privatdetektiv
auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Der 47-jährige Kai-Uwe W. wurde gestern
unweit seiner Detektei in der Hollerallee tot aufgefunden. Zwei Arbeiter fanden
ihn in einer Baugrube, in der durch die Regenfälle der letzten Tage Wasser stand.
Ob ein Unglücksfall oder aber ein Verbrechen vorliegt, ist noch unklar. Auch konnte
nicht in Erfahrung gebracht werden, in wessen Auftrag W. zuletzt ermittelt hatte.
Paula ließ
die Zeitung sinken. Das hatte gerade noch gefehlt. Da würde der Kommissar ruckzuck
wieder auf der Matte stehen. Und morgen wollte sie sich doch mit Hille Himmelsthür
treffen. Ob sie gleich von sich aus hinging, damit sie es hinter sich hatte? Aber
wer sich verteidigt, klagt sich an – so hieß es doch immer. Dann verdächtigte sie
Strehler erst recht.
Auch diesmal
kamen sie zu zweit. Und diesmal zeigte sich Paula wirklich besten Willens, schließlich
war es doch auch in ihrem Interesse, dass nicht der Hauch eines Verdachts auf sie
fiel, gerade jetzt, wo sie vor ihrem literarischen Durchbruch stand.
»Sind Sie
sich denn sicher, dass es kein Unfall war?«
Nein, sicher
waren sie nicht. Natürlich konnte es ein Sturz mit Todesfolge gewesen sein. Wulffhorst
hatte sich das Genick gebrochen. Aber es war schon eigenartig, wenn ein Privatdetektiv
unmittelbar hinter dem Bürogebäude, in dem sich seine Detektei befand, tot aufgefunden
wurde. Außerdem war die Baugrube schon seit einigen Wochen da, die kannte jeder,
der dort arbeitete. Da fiel man doch nicht einfach so hinein.
»Aber warum
ich? Warum kommen Sie andauernd zu mir?« Paulas Augen glitzerten. Nur weil dieser
Wulffhorst sie möglicherweise hätte belasten können? Das war doch absurd. Er hätte
sie doch genau so gut entlasten können.
Natürlich.
Hauptkommissar Strehler und sein Adlatus wollten das ja gar nicht bestreiten.
Als sie
endlich wieder weg waren, war ihr erster Reflex, Lukas anzuheuern. Das musste sie
sich doch nicht gefallen lassen, diese ständigen Verhöre. Aber nein, es hatte sich
ja gar nicht um ein Verhör gehandelt, das hatte Strehler mehrfach betont. Dazu gab
es ja auch gar keinen Grund. Der Grund, weshalb sie Paula aufgesucht hatten, war
ganz einfach der, dass es in ihrem letzten Gespräch genau um diesen Kai-Uwe Wulffhorst
gegangen war. Und dass Paula eben nicht so kooperativ gewesen war, wie sich das
Hauptkommissar Strehler erhofft hatte.
»Hallo,
Lukas, hier Paula. Du, ich bin mal wieder in Nöten. Kannst du mir helfen?«
Lukas war
schockiert. Er konnte kaum glauben, was er da hörte. Aber auch wenn er sonst immer
dazu riet, juristischen Beistand zu suchen, so war er doch dieses Mal entschieden
dagegen. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt einen Anwalt zu nehmen, ob nun ihn oder einen
anderen, würde Paula in den Augen der beiden Kriminaler todsicher auf der Verdächtigenliste
ganz nach vorn katapultieren. Und er als Freund wäre in diesem Fall doppelt ungeeignet.
»Paula,
du hast dir doch nichts vorzuwerfen. Das, was da vonstatten geht, sind haltlose
Spekulationen, die jeder Grundlage entbehren. Die haben doch nicht den Hauch eines
Beweises. Wie sollten sie auch? An deiner Stelle würde ich einfach abwarten. Das
wird sich klären.«
»Glaubst du eigentlich, dass Simon etwas zugestoßen ist?«
»Nun ja,
so wie es aussieht, liegt der Verdacht schon nahe.«
Am nächsten Tag prangte Simons Foto
groß und breit im ›Weser-Kurier‹, auf der ersten Seite des Bremen-Teils. Wer
hat diesen Mann gesehen? Simon Sternberg, Reisejournalist, 56 Jahre alt, wird seit
Mitte Januar vermisst.
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