Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
schaute
in den Spiegel. Ja, Markus hatte recht, es musste wirklich was anderes
her – jetzt, wo sie eine richtige Schriftstellerin war. Und alles, was an Simon
erinnerte, musste sowieso weg. Auch das Parfum, das sie von ihm bekommen hatte. Sie liebäugelte
schon eine ganze Weile mit einem neuen Duft.
»An Locken
hab ich eigentlich nicht gedacht. Eher an einen Pagenkopf.«
»Jetzt sei
kein Frosch, Paula. Weißt du nicht, wie gern wir Männer in Locken wühlen? Denk doch
nur mal an Marilyn Monroe.«
»Das war
eine Blondine, das kannst du nicht vergleichen.«
»Es gibt
auch tolle braune Lockenköpfe.«
»Mensch,
Markus, es geht jetzt wirklich nicht darum, ob du oder andere Männer gern in Locken
wühlen. Ich möchte einfach eine schicke Frisur, für den Fotografen, für die Lesungen.«
»Ja, ja
– unsere neue Paula, der Shootingstar auf dem Büchermarkt.«
»Jetzt werd
bloß nicht frech!«
»Spaß beiseite
– probier das mal mit den Locken, du wirst sehen, das sieht super aus. Ich habe
einen Blick dafür. Was meinst du, mit wie vielen Filmsternchen ich über ihre Frisuren
diskutieren musste?«
»Okay, von
mir aus. Ich kann’s ja mal probieren.«
Also machte
Paula Termine.
Bei dem
Nobel-Friseur, den ihr Jule empfohlen hatte, klappte es allerdings nicht. Erst in
sechs Wochen? Obwohl Frau Rolfs sie empfohlen hatte, die doch schon jahrelang bei
ihnen Kundin war? Das war ja unerhört. Wie die Wartezeiten für Kassenpatienten beim
Facharzt. Paulas Zorn sprühte durchs Telefon. Was sollte sie jetzt machen? Friseure
gab es zwar wie Sand am Meer, aber solche, die wirklich gut schneiden konnten, waren
rar. Bei den anderen beiden, die sie auf der Liste hatte, klappte es auch nicht.
Blieb also nur noch ihr alter Friseur. Ja, natürlich könne sie kommen, kein Problem.
Gleich nächsten Donnerstag, um 15 Uhr.
Also vorher
zur Kosmetik und nachher zum Fotografen.
»Sie waren aber schon lange nicht
mehr hier, Frau Assmann.«
Hm, ja.
Dass sie in letzter Zeit ziemlich sparen musste, brauchte sie Frau Koch-Sawatzki
nicht auf die Nase zu binden. Genauso wenig wie die Tatsache, dass sie nach der
letzten Epilation ihres Damenbärtchens ziemlich übel ausgesehen hatte. Lauter Rötungen
und Schwellungen an der Oberlippe. Damit das jetzt nicht wieder passierte, musste
sie vorbauen.
»Ach bitte,
seien Sie ganz vorsichtig mit dem Wachs, ich bin gerade wahnsinnig empfindlich.«
»Ich bin
immer vorsichtig.«
»Ich weiß,
ich weiß. Ich sage das ja nur, weil ich gerade wirklich auf alles sehr heftig reagiere.«
Diesmal
gab es das ganze Programm, mit Peeling und Maske, mit Brauenzupfen und Wimpernfärben.
Auch Maniküre? Hm. Ja, okay. Es konnte ja sein, dass der Fotograf eine malerisch
an die Wange gelegte Hand haben wollte – vielleicht, um mögliche Schwachstellen
zu vertuschen. Nur die Pediküre, die musste wirklich nicht sein. Schließlich sollte
es um eine Porträtaufnahme gehen und nicht um eine Nahaufnahme ihrer Fußnägel, die
sie problemlos selbst anpinseln konnte.
»Also, das
macht dann 88 Euro.«
Paula zuckte
zusammen. War das früher nicht deutlich billiger gewesen?
»Sollen
wir gleich den nächsten Termin ausmachen?«
Frau Koch-Sawatzki
war schon immer äußerst geschäftstüchtig gewesen; Paula erinnerte sich nur allzu
gut.
»Nein, im
Moment kann ich meine Termine nicht übersehen.« Was ja auch stimmte. »Ich melde
mich wieder.« Was wohl eher nicht stimmte.
Wenn sie
jetzt überhaupt noch Geld ausgab, vom Friseur und vom Fotografen abgesehen, dann
für Klamotten. Schließlich brauchte sie was Hübsches für die Lesungen. In ihrem
Kleiderschrank häuften sich zwar Jeans, T-Shirts und Polohemdchen in allen Farben
und Formen, aber eigentlich wollte sie endlich mal aus den Hosen rauskommen.
Aber zuerst
war der Friseur dran.
»Oh Gott! Wie sehe ich denn
aus!« Entsetzt starrte sie in den Spiegel. Das schöne Haar war weg, das seidig lange,
und stattdessen schaute sie auf eine zottelige Mähne. Das sollten sexy Wuschellocken
sein? Hätte sie doch bloß nicht auf Markus gehört. Da musste so ein Kerl nur was
sagen, und schon war’s passiert. Dabei hätte sie es wissen müssen, es war ja schließlich
nicht das erste Mal. Wenn sie nur an das schaurige Signalrot von damals dachte –
das hatte sie Jürgen zu verdanken gehabt. Sie hatte Monate gebraucht und ein paar
Hunderter investieren müssen, um endlich wieder ihre Naturfarbe zurückzubekommen.
Wenigstens war sie damals nicht so dumm gewesen wie später
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