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Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)

Titel: Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Marion Weiß
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Hause
versuchte sie, ihr Elend zu vergessen – beziehungsweise zu ertränken. Bei Kerzenschein
und italienischen Opernarien mit Rolando Villazón schlürfte sie an dem goldgelben
Zeug herum und fühlte sich von Glas zu Glas besser. Prost, Rolando. Wenn der kein
Seelentröster war. Und der Whisky erst recht.
    Mit jedem
Schluck wuchs ihr Ego. Also griff sie beherzt zur Flasche und goss sich nach. Das
Zeug schmeckte wirklich verdammt gut. Nachdem sie mehr als die Hälfte der Flasche
getrunken hatte, machte sich ihre Blase bemerkbar. Sie stand auf, ein winziges bisschen
wackelig, und marschierte in Richtung Bad. Dass sie sich an dem blöden Rauchtisch
das Schienbein anschlug, tat zwar einen Moment lang höllisch weh, aber das Licht
im Badezimmer war viel schmerzhafter. Besonders nach dem schummrig-schönen Kerzenschein.
    Was sie
da im Spiegel sah, war schlichtweg erschütternd.
    Sie zog
eine Schublade nach der anderen auf, bis sie endlich die Schere gefunden hatte.
Was dieser Hübchen konnte, das konnte sie schon lange. Ritsch ratsch, ritsch ratsch
und die ersten Zotteln waren ab. Schon besser, Paula, da machen wir doch gleich
weiter. Aber erst wird gepinkelt. Dann griff sie wieder zur Schere, packte Strähne
um Strähne und säbelte sie bis auf drei, vier Zentimeter ab. Ja, das war cool, das
war Jean Seberg, der Schwarm einer ganzen Generation. ›Außer Atem. A bout de souffle‹.
Mit dem fantastischen Jean-Paul Belmondo. Kult war das damals gewesen. Das Remake
mit Richard Gere dagegen – vergiss es. Und an die weibliche Hauptdarstellerin konnte
sie sich schon gar nicht mehr erinnern, so blass war die Frau gewesen. Aber Jean
Seberg, die junge Jeanne d’Arc – einfach umwerfend. So wie sie jetzt. Sie, Paula.
    Hoch befriedigt
marschierte sie ins Wohnzimmer zurück und goss sich das Glas randvoll. Darauf musste
sie jetzt trinken. Paula als Jeanne d’Arc, wenn das kein Grund war. Der Whisky verschwand
zusehends, und irgendwann musste sie ihn auch wieder loswerden. Also noch mal ins
Bad. Vielleicht sollte sie das Ganze noch ein klitzekleines bisschen kürzen? Sie
griff wieder zur Schere und schnippelte tapfer weiter. Nur an den Seiten und hauptsächlich
im Nacken war sie noch nicht ganz zufrieden. Wo war denn bloß der Ladyshave? Sie
tastete sich durch Slipeinlagen und Abschminktücher, bis sie den Rasierer endlich
in der Hand hatte. Und los ging’s. Sie musste nur aufpassen, dass sie sich nicht
schnitt. Sie konnte nämlich kein Blut sehen.
    Sie war
geschickter, als man nach all dem Single Malt vermuten sollte. Erst kam die linke
Seite dran, ganz exakt, da gab’s kein Vertun, und dann die rechte. Und schließlich
hinten. Wirklich gekonnt, das Ganze. Besser hätte es Herr Hübchen auch nicht machen
können, und Frau Sattmann schon gar nicht.
    Sie schaute
in den Spiegel. Wenn das kein gelungener Abend war. Markus würde nicht schlecht
staunen, wenn er ihre neue Frisur sah. Die würde ihm bestimmt gefallen.

Kapitel 28
     
    »Das ist wirklich ein Knüller. Das
hätte ich dir nicht zugetraut. Paula, du bist echt phänomenal.« Markus grinste.
»Stell dir mal vor, Robert sieht dich so. Auf das Gesicht wäre ich gespannt.«
    »Darauf
kann ich verzichten.«
    »Ich kenne
nur eine Geschichte, die das toppt. Das war Marie-Claire, eines meiner Filmsternchen.
Eigentlich heißt sie Klara. Was die machte, das war noch cooler. Die säbelte sich
die Haare erst so kurz ab wie du, und dann ging sie auch mit dem Ladyshave dran.
Aber die nahm sich nicht bloß die Seiten und den Nacken vor – der sieht übrigens,
na ja, nicht ganz so toll aus, das hat wohl da hinten nicht so richtig geklappt.
Also, Marie-Claire zog sich drei Bahnen über den Schädel, so, wie man das seit Neuestem
mit den Schamhaaren macht.«
    Er lachte
leise.
    »Markus,
nein! Davon hab ich ja noch nie gehört. Überhaupt, woher weißt du, was Frauen heutzutage
mit ihren Schamhaaren machen?«
    »Ja, liest
du denn diese Lifestyle-Magazine nicht, die beim Arzt rumliegen?«
    »Nein. Eher
starre ich Löcher in die Wand.«
    »Oh, oh,
das ist unter dem Niveau unserer Dichterin.«
    »Ich dichte
nicht. Ich bin Romanschriftstellerin.«
    Markus,
die Bierflasche am Mund, verschluckte sich fast.
    »Spaß beiseite,
Paula, weißt du eigentlich, wie viel Glück du hattest?«
    »Wieso?«
    »Na, wegen
deiner blöden Kerzen.«
    »Was für
Kerzen?«
    »Als ich
gestern Abend hier ankam und du total besoffen auf der Couch lagst, da brannten
ringsherum lauter Kerzen. Wenn ich die nicht

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