Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
rechtzeitig ausgepustet hätte, wäre
die Bude abgefackelt.«
Paula starrte
ihn an.
»So, wie
du guckst, hast du einen gewaltigen Filmriss, meine Liebe. Mach das bloß nicht wieder,
wenn du allein bist. Versprichst du mir das?«
»Hm. Ja,
natürlich.«
Das Versprechen
konnte sie leicht geben, denn allein beim Gedanken an Alkohol wurde ihr übel.
»Sag mal,
Markus, was mache ich jetzt bloß wegen der Bilder? So kann ich wohl kaum zum Fotografen.
Und der Schnappschuss ist jetzt endgültig überholt.«
»Das kriegen
wir hin. Lass mich kurz überlegen.«
»Eigentlich
fallen mir nur zwei Dinge ein – eine Perücke oder eine Künstlerkappe.«
»Bloß keine
Perücke, Paula. Das ist das Allerletzte. Das sieht man doch gleich.«
»Aber heute
gibt es doch ganz tolle, das ist nicht mehr wie früher.«
»Lass es
dir gesagt sein: Man sieht es.«
»Ja, du
vielleicht – als Filmmensch.«
»Nein, auch
die anderen, glaub mir.«
Er nahm
noch einen Schluck. Dass er morgens um elf schon Bier trinken konnte, verstand Paula
nicht. Heute natürlich erst recht nicht.
»Aber was
meintest du vorhin mit Künstlerkappe?«
»Mensch
Markus, viele Künstler tragen doch Kappen, Mützen oder Hüte, quasi als Markenzeichen.
Udo Lindenberg zum Beispiel oder Roger Cicero oder diese Annett Louisan.«
»Louisan?
Kenn ich nicht. Ist das auch eine Autorin?«
»Nein, eine
Sängerin.«
»Ah, so
einen Firlefanz machen doch wirklich nur die aus dem Showgeschäft. Das ist doch
nichts für seriöse Schriftsteller.«
»Aber da
gibt es ganz bestimmt auch welche, mir fällt gerade nur keiner ein.«
»Na, selbst
wenn. Ist es bei einem einzigen Roman nicht ein bisschen früh für ein Markenzeichen?«
»Du bist
gemein.«
»Ich bin
nicht gemein, Paula, ich bin nur realistisch. Außerdem kann so eine Künstlerkappe,
wie du es nennst, auch leicht zur Narrenkappe werden. Du weißt doch, der Künstler
und der Hofnarr – da gab es schon immer Parallelen.«
Paula zog
eine Schnute.
»Ich mache
dir einen Vorschlag. Du rufst jetzt im Verlag an und fragst, ob das mit dem Foto
vielleicht noch vier, fünf Wochen Zeit hat. Bis dahin sind deine Haare anderthalb
Zentimeter länger und der Friseur kann das, was ein bisschen schiefgelaufen ist,
korrigieren.« Markus lachte. »Schief im wahrsten Sinne des Wortes.«
»Dann sehe
ich aber immer noch nicht viel besser aus.«
»Glaub mir,
du wirst ganz super aussehen. Außerdem machen so kurze Haare jünger.«
»Danke.
Den Kommentar habe ich gerade noch gebraucht.«
»Stimmt
doch. Schau dich mal im Spiegel an.«
»Und zu
welchem Friseur soll ich gehen, deiner Meinung nach? Zu diesem Stümper wohl kaum,
und die anderen haben ewige Wartezeiten.«
»Zu meinem.«
»Zum Herrenfriseur?«
»Warum nicht?
Bei dem jetzigen Schnitt bist du dort genau richtig. Dort kriegst du das besser
gemacht als in jedem Damensalon.«
Na ja, vielleicht
war das gar keine so schlechte Idee. Paula entsann sich jetzt, dass sie in ihren
Zwanzigern schon mal bei einem Herrenfriseur gewesen war, und der hatte es ganz
toll hinbekommen. Und jetzt konnte es eigentlich nur noch besser werden.
Vom Verlag her gab es glücklicherweise
keine Probleme. Zwar würde es zeitlich ein bisschen eng werden, aber doch, man würde
das schon noch schaffen.
Als Paula
die Story erzählte – allerdings leicht verändert, denn dass die verschnittenen Haare
auch etwas mit einem sinnlosen Besäufnis zu tun hatten, musste keiner wissen –,
da stieß sie auf volles Mitgefühl. Welcher Frau war das noch nicht passiert? Außerdem
war Hille Himmelsthür nun brennend neugierig, wie Paula mit der neuen Frisur aussah.
Und sie
sah toll aus. Sowohl in natura – was Markus wieder und wieder betonte, mit dem unbescheidenen
Hinweis, dass es ja schließlich seine Idee gewesen sei – als auch auf dem Foto,
das sie Hille Himmelsthür Mitte September schickte. So viel Bestätigung tat Paula
natürlich gut, denn sie war total verunsichert gewesen. Aber nun glaubte sie es
selbst.
Sie glaubte
inzwischen auch an den Erfolg ihres Buches, da alle im Verlag des Lobes voll waren.
Die Angst vor dem Verriss, die sie immer wieder geplagt hatte, schien auf einmal
wie weggeblasen.
Ausgerechnet
Markus war es, der zur Vorsicht mahnte. Aber vielleicht war das gar nicht so erstaunlich,
denn er hatte schon genügend Pleiten erlebt.
»Mach dir
keine allzu großen Hoffnungen, Paula. Ich finde die Werbekampagne, die die planen,
für eine blutige Anfängerin reichlich überzogen. Lass
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