Die ungewisse Reise nach Samarkand: Roman (German Edition)
Schreibtisch aus erledigen. Besonders bei diesem Sauwetter. Was, wenn er das
Ganze auf einen Parkplatz vor einem Einkaufszentrum verlagerte? Da passierten erfahrungsgemäß
die meisten dieser Dinger. Aber wo? Er konnte ja kaum sagen, er sei mal rasch zu
Rewe gefahren, um einzukaufen. Höchstens wegen der geplanten Weihnachtsfeier im
Präsidium. Wobei das natürlich auch nicht ganz in Ordnung gewesen wäre.
Wenn Freese
ihm die Sternberg-Sache nicht entzogen hätte, wäre das jetzt alles kein Problem.
Der Herr Polizeipräsident war ja so was von naiv, auf diese Assmann und ihren Anwaltsspezi
hereinzufallen. Nur weil er mit dem Golf spielte. Und der lahme Blaschke, der den
Fall jetzt bearbeitete, war natürlich ganz nach Freeses Geschmack. Soweit Strehler
wusste, hatte der bisher null Ergebnisse geliefert. Wahrscheinlich hatte der sich
die Sichtweise des Chefs zu eigen gemacht: Keine Leiche, kein Mord. Keine Leiche,
kein Täter.
Strehler
erinnerte sich nur allzu gut an die Geschichte bei Klöckner. Da hatten sie auch
keine Leiche gehabt, und trotzdem war es der Ehemann gewesen. Der Stahlkocher, der
an Weihnachten bei ausgedünnter Besetzung mit einem zusammengerollten Teppich ankam,
um ihn im Hochofen verschwinden zu lassen. Sein Kumpel hatte gleich gesehen, dass
man das Riesenmonstrum nicht allein hineinbugsieren konnte. Also hatte er mit angefasst.
Menschenskind, der war wirklich zentnerschwer gewesen, hatte er später zu Protokoll
gegeben. Aber er hatte es so toll gefunden, dass der Kollege einen neuen Berber
fürs Wohnzimmer als Weihnachtsüberraschung in petto hatte. Er selbst hatte seiner
Frau nur ein Parfüm geschenkt, und das war auch noch das falsche gewesen. Ja, und
erst als in der Zeitung stand, dass Bärbel F. seit den Feiertagen vermisst wurde,
da war er stutzig geworden. Und der Teppichmörder hatte letzten Endes nicht die
Nerven gehabt, alles abzustreiten. Offensichtlich war er durch die jahrelangen Streitereien
mit der Ehefrau dann doch zu angeschlagen gewesen.
Wie auch
immer, Strehler war sich hundertprozentig sicher, bei Paula Assmann den richtigen
Riecher zu haben. Ja, und deshalb durfte ihm jetzt nichts in die Quere kommen, schon
gar nicht ein angefahrener BMW. Er war eben auf dem Rewe-Parkplatz gewesen. Basta.
Der Zweck heiligte die Mittel.
Es traf sich gut, dass Brakelmann
am nächsten Morgen nicht erschien. Husten, Schnupfen, Heiserkeit – nein, der Kollege
war nicht imstande, zum Dienst zu kommen. Wenn Bodo Strehler sich auch wegen jeder
Kleinigkeit krankmelden würde, meine Güte, was hätten sie dann wohl für eine Aufklärungsquote?
Aber so
konnte er ungestört die Sache mit dem Dienstwagen regeln. Das ging, vom höchst erregten
Pförtner Matthes mal abgesehen, problemloser als er dachte. Da alle schon in Festtagsstimmung
waren, wurde es ihm auch gar nicht angekreidet, dass er wegen der Weihnachtsfeier
unterwegs gewesen war. Allerdings musste er die nötigen Sachen jetzt möglichst schnell
besorgen – Kerzen, Kugeln und Lametta, Plätzchen, Stollen, vielleicht auch Glühwein.
Mit dem eigenen Auto, versteht sich.
Der Anruf
bei der Meldebehörde verlief auch reibungslos. Der zuständige Beamte hatte Strehler
schon öfter weitergeholfen, da war überhaupt kein Herumeiern nötig. Ja, die betreffende
Person war Anfang November umgezogen, nach Borgfeld. Selbstverständlich konnte er
ihm die Adresse geben. Schnurstracks machte sich Strehler auf den Weg. Aber bevor
er da rausfuhr, wollte er doch erst die Weihnachtseinkäufe erledigen. Dann konnte
er diese leidige Geschichte endgültig abhaken. Die Assmann lief ihm schließlich
nicht davon.
Als er voll
beladen aus dem Rewe-Markt herauskam und zu seinem Wagen ging, fielen ihm fast die
Tüten aus der Hand. Diesmal war es die rechte Seite. Die Beifahrertür.
»Inge, kann ich mal deinen Smart
haben?«
»Warum nimmst
du nicht den Opel? Ich wollte eigentlich noch zum Friseur.«
»Das kann
ich dir jetzt nicht erklären, ich habe es eilig.«
»Wieso kannst
du es mir nicht erklären? Bodo! Da stimmt doch was nicht.«
»Ehm …«
»Hast du
ihn etwa zu Schrott gefahren?«
»Nein, das
nicht.« Und widerwillig berichtete er von dem Rewe-Drama.
Der Preis
für die Smart-Schlüssel war natürlich eine Standpauke. Als Strehler endlich im Auto
saß, spielte er kurz mit dem Gedanken, nicht wiederzukommen. Aber nur ganz kurz.
Oh, das schien aber eine deutliche
Verbesserung zu sein. Ein richtiges Einfamilienhaus. Vorsichtig lugte Strehler
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