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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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verschluckt.
    Wie soll ich diese Veränderung beschreiben, die sich über Isabelles Gesicht legte? Sie war so winzig, dass man sie nur bemerkte, wenn man ihre Lachfältchen von den Weinfältchen unterscheiden konnte. Wenn man den Zug um ihren Mund kannte, der Glück oder Unglück anzeigte.
    Das Unglück hatte sich um Isabelles Mund gelegt, um ihr Herz und ihre Seele. Daran hätte nur Gianni etwas ändern können, doch er tat es nicht.

7
    J emand hat den Schlüssel ins Schloss gesteckt. Ich höre Stimmen, mehr als eine. Eine Frau. Zwei Männer. Es ist die Schriftstellerin! Endlich.
    Sie kommen herein. Ich wünschte, ich könnte besser sehen.
    »Nehmen S’ Platz, bitte«, sagte die Männerstimme.
    »Ich habe bereits genug herumgesessen. Ich würde gerne einfach meinen Bären abholen und dann vielleicht den nächsten Flieger nach München nehmen.«
    Sie hat mich noch nicht aufgegeben! Mir wird ganz schwindelig vor Freude.
    »Sie müssen jetzt bitte hier quittieren, dass dieser Teddy Ihr Eigentum ist.«
    »Das habe ich doch nie bestritten.«
    »Nein, aber Sie müssen das vor Zeugen tun, sonst können Sie ja hinterher behaupten, er gehörte gar nicht Ihnen.«
    »Und wie der mir gehört. Jetzt habe ich aber wirklich die Faxen satt.«
    »Haubenwaller, bitte, Sie müssen auch unterzeichen.«
    Haubenwaller! Der Mann vom Grenzschutz! Oh, Hoffnungsschimmer am Horizont!
    »Hören Sie, Herr Haubenwaller«, flüstert die Schriftstellerin jetzt. »Vielleicht sind Sie ja ein bisschen weniger verbohrt als Ihr Kollege. Finden Sie diese Angelegenheit nicht auch absolut lächerlich?«
    »Na ja«, antwortet Haubenwaller. »Nach 9/11 haben alle nach neuen Sicherheitsvorkehrungen geschrien, und jetzt haben wir sie, und dann ist es auch nicht recht.«
    »Man kann’s auch übertreiben.«
    »Wenn Sie bitte den Bären identifizieren würden und dann hier unterschreiben«, sagt der Beamte dazwischen. »Sie sind nicht die Einzige, die diese Sache erledigt haben möchte.«
    Ihr Gesicht taucht über mir auf. Erleichterung.
    Ich bin so froh, dich zu sehen!
    »Ja, das ist Henry«, sagt sie dann.
    Es rauscht in meinen Ohren.
    Henry. Sie hat gesagt: »Ja, das ist Henry.« Sie weiß meinen Namen. Sie weiß, wer ich bin. Sie kennt mich. Sie darf nie wieder weggehen. Henry. Ja, das ist Henry. Ich bin Henry. Henry N. Brown. Henry. Nach so vielen Jahren.
    Ich würde am liebsten aus der Kiste springen und vor Glück platzen. Da hätten sie dann ihre Explosion.
    Der Beamte murmelt etwas Unverständliches, Haubenwaller räuspert sich und die Schriftstellerin fragt:
    »Und jetzt?«
    »Und jetzt gehen wir hinüber zu unserer Kollegin, die gibt Ihnen vielleicht eine Tasse Kaffee, und wir warten auf das Ergebnis der Untersuchung des verdächtigen Gegenstandes. Anschließend haben Sie entweder einen Haufen Probleme oder Anspruch auf eine Entschädigung – finanziell natürlich.«
    »So etwas habe ich wirklich noch nie erlebt«, murmelte die Schriftstellerin. »Wirklich, das ist … aber jetzt ziehen wir das auch durch. Eines sage Ihnen allerdings: Sie gehen heute nicht nach Hause, ehe ich meinen Bären zurückhabe.«
    »Wollen Sie mir drohen?«
    »Bewahre, nein. Wie kommen Sie denn darauf?«, fährt sie auf und fügt dann trocken hinzu: »Ich bin Wahrsagerin, wissen Sie.«
    »Bitte. Gehen wir«, sagt der Beamte um Fassung bemüht.
    Haubenwaller lacht leise, das habe ich genau gehört.
    Die Tür quietscht.
    Nein! Bleib hier! Bitte, bleib hier!
    Sie gehen.
    Sie hat mich nicht aufgegeben. Gut. Sie kämpft für mich. Gut. Aber die Gefahr ist nicht gebannt.
    Trotzdem tröstet mich ihre Aufsässigkeit. Ja, man lernt, sich mit wenig zufriedenzugeben. Richtig getröstet worden bin ich in meinem ganzen Leben vielleicht zwei oder drei Mal. In der Art: »Oh, armer Doudou, hast du die ganze Nacht allein hier draußen in der Kälte gelegen.« Oder: »Oh, armer Ole, dir fällt ja gleich das Ohr ab.« Aber sonst? Zu mir hat nie jemand gesagt: »Deine Situation ist wirklich schrecklich. Ich verstehe, dass du dich oft furchtbar fühlst, wenn du dich nicht bewegen kannst.« Oder: »Wie unsagbar traurig, dass du deine unendliche Weisheit nicht mit mir teilen kannst. Es muss furchtbar sein, andere Menschen nicht vor Dummheiten bewahren zu können.« Nichts dergleichen.
    Aber so ist eben die Rollenverteilung:
    Jedes Gefühl, das mir entgegengebracht wird, ist vorbehaltlos und ehrlich.
    Jede Liebe ist aufrichtig und tief, solange sie währt, und von mir wird nicht weniger erwartet,

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