Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)
Besessene, um das einsame Loch zu füllen, das Giannis Abreise hinterlassen hatte.
Unter der Bettdecke wurde es unglaublich warm. Sie schwitzte und schwitzte. Ihre Zähne klapperten, und sie drückte mich immer fester an sich. Am Weihnachtsabend fühlte sie sich so elend, dass sie die in Florenz verbliebenen Freunde alleine in die Pizzeria ziehen ließ.
»Mir ist nicht nach Feiern zumute«, sagte sie entschuldigend, als Philippe aus der Pariser Clique fragte, was mit ihr los sei.
»Du bist ja ganz blass«, sagte der Junge. »Geht es dir nicht gut?«
»Nur ein bisschen Husten. War wohl ein bisschen kalt hier in der letzten Zeit.« Sie unterstrich ihren Satz mit dem Blecheimerhusten.
»Soll ich einen Arzt holen?«, fragte Philippe. »Das hört sich ganz schön übel an.«
»Nein«, antwortete Isabelle. »Ist nicht so schlimm. Ich muss mich einfach mal richtig ausschlafen.«
»Bist du sicher?«
Sie nickte. Hustete. Ich fand, sein Vorschlag hörte sich eigentlich ganz vernünftig an. Zwar hatte ich diverse Erkältungen an Isabelles Seite durchgestanden, fiebrige Nächte, Erschöpfung, aber so schlimm hatte sie sich dabei nie angehört. Vor allem hatte sie nie eine Party verpasst. Zu solchen Gelegenheiten hatte sie bislang immer eine wundersame Genesung erlebt.
Und nun wollte sie sogar das Weihnachtsfest ausfallen lassen? Fehlte ihr Gianni so sehr, dass sie vor Einsamkeit krank geworden war? Die Lage schien wirklich ernst zu sein. Und ich? Ich konnte mal wieder nicht helfen.
Philippe sah Isabelle zweifelnd an.
»Ich stelle dir eine Kanne Tee hin. Nur für den Fall.«
»Danke, das ist lieb.«
Schwerfällig drehte sie sich um und zog den durchgeschwitzten Schlafsack enger um sich und schlief ein.
Dunkelheit senkte sich über den Bibliothekssaal. Fröhlich und unbeschwert waren die anderen Engel des Schlamms davongezogen, um diesen Abend zu genießen und zu feiern, was sie vollbracht hatten. Ich lauschte auf Isabelles Atemzüge. Rasselnd hob und senkte sich ihr Brustkorb. Manchmal ging ein Beben durch ihren Körper, und mit jeder Minute, die verging, wurde ich unruhiger. Isabelle hatte keine einfache Erkältung, das war mir jetzt klar. Isabelle war krank. Im Schlaf hielt sie mich fest umschlungen. Ihr Daumen rieb über den Trostpunkt an meinem Bauch, immer schwächer. Ich hatte das Gefühl, sie verschwand.
Isabelle! Bleib hier!
Ihr Atem ging langsamer. Ich geriet in Panik, als ihr Daumen sich nicht mehr bewegte.
Isabelle!
Sie rührte sich nicht mehr. Und als Philippe mitten in der Nacht neben dem Bett stand und versuchte, sie zu wecken, war Isabelle nicht wach zu kriegen.
Sie hielt die Augen fest geschlossen, ihr Kopf fiel willenlos auf die Seite, nur ihre Hände ließen nicht locker. Mit der einen umklammerte sie Giannis kleines Geschenk, mit der anderen mich.
Dann wurde ein Krankenwagen gerufen.
An die darauf folgenden Tage kann ich mich nicht mehr erinnern. Sie verschwimmen in einem Nebel aus Krankenhausluft, Ärzten in weißen Kitteln und Krankenschwestern. Hinter einem weißen Wandschirm lag Isabelle in einem weißen, sauberen Bett, und um uns herum waren weiße kahle Wände.
Und dann war plötzlich Jules da.
Gott, war ich froh, ihn zu sehen. Ich weiß nicht, wie lange ich die Moral noch allein hätte aufrecht halten können. Ich hatte mich so verloren gefühlt im Arm der reglosen Isabelle. Als ob sie mich hätte hören können, hatte ich ihr Geschichten erzählt, lustige Geschichten, Geschichten aus meinem Leben, ununterbrochen habe ich mit ihr gesprochen, auf sie eingeredet.
Ich glaube, ich habe es eher getan, um mich zu beruhigen. Sie konnte mich ja doch nicht hören. Und trotzdem dachte ich stur, dass Bewusstlosigkeit vielleicht ein Zustand sein könnte, in dem die Worte eines Bären an ein Menschenohr drangen, wenn sonst kein Lärm die Atmosphäre störte.
Jules sank auf den Stuhl neben dem Bett seiner Tochter, strich über ihr unordentliches Haar und flüsterte:
»Mein Mädchen, was machst du nur für Sachen?«
»Papa«, flüsterte Isabelle müde zurück. »Was machst du denn hier?«
»Ich hole dich heim, ma petite.«
»Aber ich muss hier sein …« Ihre Stimme versagte.
»Sch … sch … sch, es ist alles gut. Jetzt musst du einfach gesund werden.«
»Welchen Tag haben wir …«
»Du warst lange bewusstlos, mein Schatz. Aber jetzt wird alles gut.«
»Ich muss warten …«
»Ja, es wird eine Weile dauern, bis du wieder gesund bist. Du hast eine schwere Lungenentzündung.«
Wie
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