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Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition)

Titel: Die unglaubliche Geschichte des Henry N. Brown (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Helene Bubenzer
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aus? Kommt der Tommy oft zu Besuch? Vermisst Du mich auch tüchtig? Wie geht es Tante Lottchen, und siehst Du Franziska? Ich mache mir manchmal Sorgen um mein liebes Schwesterlein. Nun, Du wirst mir alles haarklein erzählen, wenn ich erst bei Dir bin. Ach, wie ich mich freue. Es werden acht herrliche Tage werden. Ich sehe zu, dass ich etwas von den französischen Spezialitäten kaufen kann, damit wir es recht feierlich haben. Eine besondere Überraschung habe ich jetzt schon für Dich: Ole. Er freut sich doll, Dich kennenzulernen und sendet Dir schon jetzt einen lieben Gruß. Ich gebe Dir, mein Goldengel, einen leckeren Kuss auf Deinen schönen roten Mund.
    Er hielt einen Augenblick inne, dann fügte er entschlossen hinzu:
    In Liebe Dein Männi
    Er rollte auf den Rücken, nahm mich in beide Hände und hielt mich in die Höhe.
    »Dieser schöne rote Mund. Auf den freue ich mich am meisten, Ole!«
    Und dann drückte er mir vor lauter Übermut einen Kuss mitten auf die Nase.
    Das war mir zu viel.
    Erst musste ich monatelang im Dunkeln sitzen, in einem muffigen Rucksack, und nun plötzlich küsste mich dieser wildfremde Mann mitten ins Gesicht. Mein Feind, der Bärendieb, der Mann, vor dem die liebste Familie, die ich kannte, geflohen war, der Mann mit der Metallstimme, schlug plötzlich eine ganz andere Tonart an. Er sprach von Liebe. Dieses Wort in seinem Mund? Es kam mir vor wie Frevel. Und überhaupt – seit wann hieß ich eigentlich Ole? Ich konnte mich nicht daran erinnern, dass wir uns bis zur Namensfindung angenähert hatten.
    »Ab jetzt heißt du nämlich Ole. Ole Olé!«
    Er lachte übermütig, seine blassgrünen Augen verengten und seine Wangen hoben sich.
    Ich war restlos verwirrt, und so blieb es auch noch eine ganze Weile.
    Wer war dieser Friedrich?
    Wenige Wochen später trat das ein, was noch vor einem Jahr jenseits jeglicher Vorstellungskraft gelegen hatte: Ich reiste nach Deutschland. Nach Nazi-Deutschland, das Land, in dem das Böse wohnte – und Marlene.
    Ich weiß nicht, wie ich mir Deutschland vorgestellt hatte. Wahrscheinlich als ein Land, in dem sich Bombenfabriken aneinanderreihten, in dem es mehr Jagdflugzeuge und Panzer als Menschen gab, alles grau und kalt. Ich war auf das Schlimmste gefasst und bereit, es ebenso schrecklich zu finden wie die Tatsache, dass ich ins Feindesland entführt wurde. Mit Marlene und dem, was dann kam, hatte ich jedenfalls nicht gerechnet.
    Marlene war viel schöner als auf der Fotografie. Vielleicht lag es aber auch daran, dass sie vor Freude strahlte, als ich sie zum ersten Mal sah. Friedrich packte mich umständlich aus dem Rucksack. Als er mich überreichen wollte, lag sie auf dem Sofa. Ihr Haar war zerzaust, ihre Lippen rotgeküsst, die Bluse in Unordnung, die Naht ihrer Seidenstrumpfhose verrutscht. Gegen meinen Willen musste ich lächeln. Das ganze Persönchen bot ein herrliches Bild der Wiedersehensfreude.
    »Gott, wie froh ich bin, dass du da bist!«, sagte sie bestimmt schon zum zehnten Mal und strahlte Friedrich aus glänzenden Augen an. Ich sah ihr an, dass sie die Wahrheit sagte.
    Ihr Blick fiel auf mich.
    »Wer ist denn das?«
    »Ich bin Ole«, sagte Friedrich und verstellte dabei seine Stimme, sodass sie ganz brummig klang. »Olé!«
    Er war wie ein kleiner Junge. Von dem Soldaten Ballhaus war in diesem Moment nichts zu spüren.
    »Du lieber Himmel, das ist Ole? Ich habe mich schon gefragt, welche Flausen du im Kopf hattest, als du deinen letzten Brief geschrieben hast.«
    »Ich will mit dir kuscheln«, sprach er mit seiner Ole-Stimme weiter und drückte meine Nase an ihren Hals.
    »Du bist ja ein ganz stürmischer!«, lachte sie und nahm mich entgegen.
    Ich bin eigentlich eher zurückhaltend.
    »Er ist Franzose«, sagte Friedrich.
    Ich bin Engländer.
    »Wo hast du den denn her?«
    »Kriegsbeute. Alles andere hatte der Franzos’ mitgenommen.«
    »Was? Du hast ihn geklaut? Das kann doch nicht dein Ernst sein! Sicher ist jetzt ein armes kleines Mädchen ganz furchtbar unglücklich!«
    Es ist ein Junge.
    Marlene machte ein entsetztes Gesicht, was mich insgeheim sehr freute.
    »Sie haben ihn zurückgelassen. Die Familie war längst weg. Sonst wäre er auf dem Müll gelandet«, sagte Friedrich. »Gefällt er dir nicht?«
    »Doch«, sagte Marlene. »Ich finde ihn sehr niedlich. Aber es ist so traurig.«
    »Es ist Krieg. Das gehört wohl dazu.«
    »Traurig finde ich es trotzdem. Aber bei uns wird er es gut haben.«
    Es entstand eine Stille, und mein Herz

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