Die unglaublichen Abenteuer des Barnaby Brocket (German Edition)
Flug«, fügte Ethel ergänzend hinzu. »Meinst du, das schaffst du?«
»Mir bleibt nichts anderes übrig«, erwiderte Barnaby, der sich freute, dass er nach seiner Fahrt mit dem Heißluftballon nun auch noch eine Flugreise machen konnte. »Ist der Flughafen weit von hier?«
»Ein paar hundert Meilen. Du musst den Zug nehmen. Der Fonseca Express fährt von Sâo Paolo, wo wir sind, nach New York, hält aber unterwegs in Rio. Du hast es ja nicht eilig, oder?«
»Na ja, nicht so wahnsinnig eilig, würde ich sagen«, antwortete Barnaby.
»Gut. Wir haben nämlich bei der Luftfahrtgesellschaft angefragt, und es gibt erst am Wochenende wieder einen Platz. Bis dahin kannst du bei uns wohnen.«
Barnaby nickte. Die beiden Damen waren wirklich sehr nett zu ihm, sie boten ihm nicht nur ein Ticket zurück nach Australien an, sondern auch noch kostenlose Unterkunft samt Verpflegung. Da war es doch das Mindeste, dass er sich dankbar zeigte.
»Sehr schön. Dann ist das ja alles geregelt. Du bleibst bis Samstag hier bei uns, dann geht’s ab nach Hause. Vielleicht machen wir ein kleines Fest zu deinen Ehren, bevor du aufbrichst. Bis dahin kannst du deinen Aufenthalt hier rundum genießen. Weißt du viel über Brasilien?«
Barnaby schüttelte den Kopf. »Nein, gar nichts. Südamerika haben wir im Geographieunterricht noch nicht durchgenommen.«
»Ich sage ja immer, die jungen Menschen sollten über fremde Länder so viel lernen, wie sie nur können«, sagte Marjorie und nickte weise. »Für den Fall, dass sie von zu Hause rausgeworfen werden.«
»Oder von zu Hause weglaufen«, sagte Ethel.
»Oder weg fliegen «, sagte Marjorie und lächelte ihr zu. Ethel musste lachen, und schon hüpften die beiden in die Luft und klatschten sich ab, was Barnaby bei zwei älteren Damen noch nie gesehen hatte. »Wir wussten nicht die kleinste Kleinigkeit über Brasilien, als wir hierher gekommen sind«, fügte sie hinzu. »Aber nachdem unsere Familien beschlossen hatten, dass sie nichts mehr mit uns zu tun haben wollen, da wollten wir unsererseits so weit weg von ihnen wie möglich.«
»Und wir mögen Kaffee«, sagte Ethel.
»Wir lieben Kaffee«, verbesserte sie Marjorie.
»Deshalb dachten wir, es würde uns einen Riesenspaß machen, unsere eigene Kaffeefarm zu gründen.«
»Hier in Braslien.«
»Auf dieser Plantage hier.«
»Und jetzt sind wir schon – wie lange sind wir jetzt schon hier, Ethel?«
»Fast vierzig Jahre.«
»So lang? Tatsächlich?«
»Ja, tatsächlich.«
»Kaum zu glauben, stimmt’s?«
»Tja, wir sind einfach so sagenhaft glücklich hier«, sagte Ethel. Die beiden Damen strahlten einander an und umarmten sich kurz. Barnaby sah, dass sie sich an der Hand hielten, was auch ziemlich seltsam war, aber sie schienen es selbst kaum zu merken. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal gesehen hatte, dass sein Vater und seine Mutter sich an der Hand hielten. Im Gegenteil – Alistair hatte immer gesagt, dass Leute, die ihre Zuneigung zueinander in der Öffentlichkeit zur Schau stellten, nur Aufmerksamkeit erregen wollten, sonst nichts.
»Ach, du liebe Zeit.« Seufzend tupfte Marjorie sich mit einem Taschentuch die Augenwinkel. »Habe ich was im Auge, Ethel?«
»Lass mal sehen. Oh, ja, da ist was. Moment. Halt bitte still.«
»Vorsicht – du weißt doch, dass ich es nicht leiden kann, wenn jemand mein Auge berührt.«
»Sei doch nicht so eine dumme Gans. Da – schon erledigt. Besser?«
»Viel besser, danke. Du bist meine Rettung! Und nun zu dir, Barnaby. Du hast bestimmt Hunger. Möchtest du frühstücken?«
Wenig später saß Barnaby in der Küche, an einem unglaublich reich gedeckten Tisch. Es gab Eier, auf alle möglichen Arten zubereitet, dazu Würstchen, Speckstreifen und Bratkartoffeln, Schüsseln mit Peperoni und Paprika, Platten voller gebratener Pilze und Röstzwiebeln, Krüge mit Orangensaft und eiskaltem Wasser. Während Barnaby aß – unter einem Moskitonetz, das am Fußboden befestigt war und oben abgeschnitten, so dass sein Kopf herausguckte –, beobachtete er die Farmarbeiter, die ein und aus gingen und irgendetwas erledigten. Sie schienen sich alle sehr zu freuen, dass die beiden Damen wieder da waren, und sie umarmten und küssten sie zur Begrüßung.
»Oh, Thiago, lass mich los, du fürchterliche Kreatur!«, rief Ethel und kicherte, als ein dicker Mann mit einem großen, dunklen Schnurrbart die Arme um sie schlang und sie so fest an sich drückte, dass es ihr fast den Atem
Weitere Kostenlose Bücher