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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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einmischen, ich musste sie energisch bitten, sich zurückzuziehen, und Sigrid kümmerte sich um sie. Ich beugte mich näher zum Patienten. Konnte ich ihn etwa nicht zum Lachen bringen? War das seine Ansicht? Dann würde ich ihn zumindest zum Weinen bringen können.
    »Ziehen Sie De Howards, Marshal Halls oder Silvesters Methode vor?«, fragte ich.
    »Wovon faseln Sie da?«
    »Ich glaube, wir benutzen heute Howards.«
    Knut Hamsun packte meinen Schal, als wollte er ihn als Seil benutzen und mich damit strangulieren. Enorme Kräfte schlummerten in seiner Hand.
    »Bring mich nur zurück ins Negresco«, flüsterte er.
    »Auf die ehrenvollste Art und Weise«, sagte ich ebenso leise. »Womit wir quitt wären?«
    Hamsun nickte und ließ los.
    Und ich begann mit der Herzmassage, Howards Methode, das heißt, Hamsun lag auf dem Rücken, während ich auf seiner rechten Seite saß und die Hände flach auf seinen Brustkorb legte, zwei Mal, so fest ich konnte, drückte und dann ebenso plötzlich innehielt, so dass der Körper fast einen Satz machte, als die Luft ausströmte, mit Hilfe seiner eigenen Elastizität. Das ist eine einfache Methode, die umso raffinierter erscheint. Diese kontrollierten Übungen wiederholte ich so lange, wie ich es für notwendig ansah, während ich mich gleichzeitig davon überzeugte, dass seine Zunge nicht in den Schlund rutschen und die Atemwege versperren konnte. Dieser Kniff war vielleicht für die Zuschauer der beeindruckendste, und ich wandte ihn vor allem des Effektes wegen an. Ich hielt seine Zungenspitze mit dem Taschentuch fest und zog die Zunge fast bis in den Mundwinkel hinunter, während ich den Unterkiefer hochdrückte. Als ich hörte, dass sich ein Unfallwagen näherte, beendete ich Howards Methode, knöpfte Hemd und Mantel wieder zu und half Knut Hamsun auf die Beine. Er war leicht benebelt und musste sich auf Stock und Marie stützen, aber er stand auf seinen eigenen Füßen, und er kam wieder zu Kräften. Die Zuschauer applaudierten und riefen Hurra. Ein Kellner servierte uns sogar Champagner. Der französischen Ambulanz blieb nichts anderes übrig, als umzukehren. Bernhard Hval hatte alles geregelt und den Patienten geheilt. Knut und Marie Hamsun wurden zurück ins Negresco gebracht. Bernhard und Sigrid Hval gingen heim ins Westminster Hotel. Für diesen Abend war genug gespielt worden, wie ich annahm. Was sich jedoch als falsch herausstellte. Als wir auf unser Zimmer kamen, zog Sigrid sich sogleich aus, auf eine Art, die nicht erregend, sondern nur zielstrebig und sachlich erschien. Sie legte sich aufs Bett, nackt, und sagte, ohne jede Andeutung von Leidenschaft oder Lust:
    »Ich bin bereit, Berny.«
    »Bereit?«
    »Die Zeit ist gekommen. Lass uns in Gang kommen.«
    Es war also die Monatswelle, die bereits über mich hinweggerollt war. Ich musste falsch gerechnet haben. Aber ich hatte so oder so keine Wahl. Ich stieg in Windeseile aus den Kleidern und nahm den Platz zwischen ihren Beinen ein.
    »Mein kleiner Posaunenengel«, sagte ich.
    »Psst.«
    »Mein Wildfang! Mein …«
    Sie unterbrach mich.
    »Das ist nicht nötig, Berny.«
    Schließlich gelang es mir, in Sigrids Schoß einzudringen und meine Pflicht zu erfüllen. Nicht ein Wort entschlüpfte meinem Mund. Das war der tiefere Sinn einer Hochzeitsreise: die Fortpflanzung. Zuerst Spiel, dann noch mehr Spaß und anschließend Fortpflanzung. Als ich dabei war, meinen Höhepunkt zu erreichen, stöhnte ich schwer, zitterte und tat, als käme ich ins Ziel. Doch ich hielt mich zurück, hielt mich zurück, eine Kraftanstrengung, so erschöpfend, dass ich eine Weile einfach nur auf ihr liegen blieb und nach Atem schnappte, unbefriedigt, am Rande meiner selbst, während sie mir über den Rücken strich, verliebt und dankbar, was weiß ich. Was ich dagegen sicher weiß: ein größerer Lügner bin ich niemals gewesen. Und es sollte wieder und wieder geschehen, bis ich mit mir selbst ins Gebet gehen sollte und mit eigenen Händen eine äußerst schmerzhafte Kastration oder Sterilisation durchführte. Ich riss mich los, ging ins Bad, schloss die Tür hinter mir und entleerte mein Kargo in die Toilette, dorthin, wo es hingehörte. Ich zog den Morgenmantel über und mochte mir nicht im Spiegel begegnen. Oh, post coitum homo tristis est. Stattdessen holte ich mir einen Drink, einen Calvados, trank ihn in einem Zug, und als ich zurück ins Schlafzimmer kam, saß Sigrid im Bett und rauchte.
    »Heute bin ich zufrieden mit dir«, sagte sie.
    »Bist

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