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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Mutters Traum oder Albtraum wiederholt hatte, verschwand im Bad und entleerte mich dort, nicht einmal beschämt. So schnell wird man durchtrieben.
    »Hast du getrunken?«, rief Sigrid.
    Ich schaute zu ihr hinein.
    »Die Franzosen trinken gern einen morgendlichen Schnaps. Und wir sind in Frankreich.«
    »Dann will ich auch einen.«
    »Meinst du, das ist so schlau?«
    »Hör auf, immer zu fragen, ob etwas schlau ist!«
    Ich holte einfach eine Flasche Champagner für uns, und wir blieben den Rest des Tages im Bett, bekamen die Mahlzeiten aufs Zimmer serviert, und am nächsten Tag, nach noch einer Nacht mit dem gleichen Traum, war das Wetter immer noch unverändert, Halleluja, Regen, Wind und Sturmflut. Ja, selbst der Kellner, der uns das Frühstück pünktlich um neun Uhr brachte, riet uns, drinnen zu bleiben, lose Gegenstände flogen nämlich durch die Luft und hatten bereits mehrere Menschen verletzt, die Cafés waren geschlossen, vier Palmen waren mit ihren Wurzeln herausgerissen worden, und es war nicht mehr sicher auf der Promenade des Anglais. Was er auf das Äußerste bedauerte, als wäre er nicht nur für den Kaffee, sondern auch für das Klima verantwortlich.
    »Glücklicherweise ist es nicht Ihre Schuld, dass wir kein Tennis spielen können«, sagte ich.
    Der Kellner verstand wahrscheinlich nicht, was ich sagte, aber den Schein, den ich ihm diskret in die Hand drückte, verstand er voll und ganz und verließ uns mit tiefer Verbeugung.
    Im Laufe des Vormittags überfiel mich eine große Furcht. War es das, wonach ich mich gesehnt hatte? Wir zwei, Siggen und Berny, in einem Zimmer eingesperrt, auf unbestimmte Zeit?
    »Schade, dass du sein Autogramm nicht gekriegt hast«, sagte ich.
    »Wessen?«
    »Hamsuns. Knut Hamsuns. Des Schriftstellers.«
    »Ich weiß, dass er Schriftsteller ist, Berny.«
    »Vielleicht schickt er ja ein Dankesschreiben. Dann kriegst du doch noch seine Unterschrift.«
    »Das macht nichts. Aber es ist süß von dir, dass du es erwähnst.«
    »Jedenfalls war es nicht meine Schuld, dass er zu Boden gegangen ist.«
    Sigrid schüttelte den Kopf.
    »Deine Schuld? Wieso redest du die ganze Zeit von Schuld? Es war ja wohl nicht deine Schuld, dass Hamsun hingefallen ist. Ganz im Gegenteil! Du hast ihn doch gerettet!«
    Dazu sagte ich nichts. Es hätte zu weit geführt, die Schuldgefühle der Kantigen zu erklären. Wir werden damit geboren. Sobald wir die Augen öffnen, sind wir schuldig. Wir wissen nicht, woran, und das ist das Schlimmste. Wir sind uns selbst ein Rätsel. Wir sind anstrengend.
    »Du hast recht«, sagte ich nur.
    Sigrid kam näher und lehnte sich an mein Gesicht.
    »Soll ich dir ein bisschen Vaseline auf dein Kinn schmieren?«
    Um 13.30 Uhr ging ich hinunter zur Rezeption, um Näheres über das Wetter zu erfahren. Ja, ich hatte vor, mich über das Wetter zu beschweren. Das war in keiner Weise das, was uns versprochen worden war, nämlich ein wolkenfreier Spätsommer. Ein dänisches Paar war gerade angekommen, triefend nass und ungeduldig. Sie saß auf dem Koffer, das Gesicht in den Händen und einen Regenschirm im Schoß. Er, in einem protzigen, geschmacklosen hellblauen Anzug, mit Flecken vom Regen und anderen Resten, hing über dem Tresen und wollte den Schlüssel für ihr Zimmer, bevor es fertig war. Vielleicht waren sie ja auch auf Hochzeitsreise. Aber es war die Zeitung, die der Herr auf den Tresen warf, die meine Aufmerksamkeit erregte: Politiken , drei Tage alt. Und es waren nicht die großen Überschriften, an denen ich mich festbiss, Zusammenstöße, noch ein Börsencrash, Arbeitslosigkeit und Schiffsunglücke, sondern eine kleine Notiz ganz unten in der Ecke: Norweger ging von Trondheim nach Oslo. Das war kein anderer als Notto Fipp. Er war also von Trondheim nach Oslo gegangen. Meine Hände zitterten, ich konnte kaum weiterblättern. Auf der vorletzten Seite stand die Fortsetzung: Dieser witzige Norweger, in Lumpen, Strohhut, Regenschirm, ausgerüstet mit Milch und Bananen, hatte einen Rekord auf der Strecke aufgestellt: neunzehn Stunden und acht Minuten. Auf dem Weg von Gjelleråsen, vorbei an Bredtvedt, das letzte Stück hinunter nach Oslo, hatte er sich sogar noch umgezogen und konnte so im Zentrum der Hauptstadt im Frack ankommen. Die Notiz war mit einer geschmacklosen Zeichnung illustriert, eine boshafte Karikatur, aber es war und blieb zweifellos Notto Fipp.
    Ich wurde neidisch.
    Ich muss sagen, wie es war, ich wurde neidisch, beleidigt und schließlich wütend.
    Notto

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