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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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du das nicht jeden Tag?«
    »Doch, mein Stutenprinz. Aber heute bin ich besonders zufrieden mit dir.«
    »Danke.«
    »Du hast Hamsun das Leben gerettet.«
    »Na, so ernst war es ja wohl nicht.«
    »Und vielleicht hast du ja auch ein neues Leben erschaffen.«
    Ich drehte mich zum Fenster und sah leider nur mich selbst da draußen in der Dunkelheit, das Negativ eines Lügners, also ein doppelter Lügner, ein Lügner, der sich selbst wiederholte, immer und immer wieder.
    »Fotzenhutkrempe!«
    »Was hast du gesagt, Berny?«
    Mein Arm schoss in die Höhe, schräg nach oben, so dass die Knöchel mit einem Knall auf die Fensterscheibe trafen, fast hätte ich sie zerbrochen. Das hätte gerade noch gefehlt.
    »Wir «, sagte ich, » wir haben vielleicht ein neues Leben erschaffen.«
    Alles war nur ein einziger endloser circulus vitiosus.
    Sigrid zog mich hinunter auf die Bettkante und führte meine Hand zwischen ihre Schenkel. Es roch schwer nach ihr, Tabak, Eau de Cologne und Brunst. Sie war immer noch feucht und lüstern.
    »Ich habe Lust, morgen Tennis zu spielen. Beim Beau Rivage gibt es einen schönen Court.«
    Meine Finger wurden sofort unruhig, ein Ruck durchfuhr sie, und sie atmete schwer aus.
    »Glaubst du, das ist so schlau?«, fragte ich.
    »Schlau? Wieso soll es nicht schlau sein, Tennis zu spielen?«
    »Ich meine, du solltest dich vielleicht lieber ausruhen, falls wir ein Kind kriegen werden.«
    Sigrid lachte, schaute auf die Uhr und schob meine Hand fort.
    »In dem Fall bin ich jetzt in der dritten Stunde schwanger. Außerdem hat mein Arzt gesagt, dass physische Aktivität während der Schwangerschaft nur gesund ist. Übrigens habe ich bereits einen Platz reserviert. Wir schaffen drei Sets vor dem Lunch.«
    Ich stand auf und blieb einige Sekunden lang unschlüssig stehen, bevor ich sie ansehen konnte. Das kam zu plötzlich für mich.
    »Dein Arzt? Bin ich denn nicht dein Arzt?«
    »Du bist mein Ehemann, Berny. Wir wollen die Dinge doch nicht vermischen. Sonst kommt nur alles durcheinander.«
    Ich musste mich selbst fest an die Kandare nehmen.
    »Darf ich dann fragen, wer dein Arzt ist?«
    »Frost. Georg Frost. Unser Familienarzt. Macht das was?«
    »Natürlich nicht. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, ihn bei unserer Hochzeit gesehen zu haben.«
    »Er hat dich gesehen, Berny.«
    Was sollte das bedeuten? War Familie Juells Arzt bei unserer Hochzeit im Dienst gewesen?
    Ich zog die Vorhänge vor, löschte das Licht und legte mich neben sie. Es konnte gar nicht dunkel genug werden.
    In dieser Nacht wiederholte ich Mutters Traum und machte ihn zu meinem: Ein Tier erhebt sich langsam aus Lehm und Schlamm, es ist ein Fohlen. Das Fohlen schüttelt die schwere feuchte Erde ab, fällt um, steht wieder auf, bleibt stehen, beginnt auf einen Wald zuzugehen, und während es diese Strecke geht, die nicht lang ist, aber im Traum unendlich erscheint, wächst dieses unsichere Fohlen zum Pferd, und auf seiner Stirn schießt ein Horn hervor, glänzend und gedreht. Es gibt noch andere Tiere in der Gegend, vielleicht ist es eine Savanne, und sie meiden das missgestaltete Pferd, sie greifen es nicht an, sie fliehen nicht, sie weichen ihm nur aus. Am Waldrand wartet ein Mann ohne Gesicht mit einem Hammer, einem Vorschlaghammer, in der Hand.
    Genau in dem Moment erwachte ich mit einem Ruck. Das Zimmer war immer noch dunkel, aber ich konnte sehen. Sigrid schlief. Von irgendwoher kam Lärm, den ich nicht orten konnte. Wer machte diesen Lärm? Ich stand auf, ging in le salon privé und begriff sofort, worum es sich handelte: ein Unwetter. Es war erst fünf Uhr. Ich schenkte mir einen Drink ein, obwohl ich normalerweise nicht so früh trinke, oder so spät, wie man es nimmt, aber eine Hochzeitsreise ist ein Ausnahmezustand, und ich setzte mich ans Fenster. Der Regen fiel schräg und schwer von einem niedrigen Himmel, die Palmen fegten die Bürgersteige wie riesige wilde Piassavabesen, und die Wellen schlugen über die Promenade hinweg und spülten Stühle und Bänke fort. Es war ein wunderbares Unwetter, um nicht Tennis spielen zu müssen.
    Mir ist mit der Zeit klar geworden, dass schlechtes Wetter für uns Kantige gut ist. Wir fühlen uns in grellem Licht nicht wohl. Unsere Schatten werden dann zu deutlich. Wir finden keinen Schutz. Wir stolpern über unseren eigenen Kantstein.
    Nach einer Weile wachte auch Sigrid auf, schaute auf die Uhr und wollte mich sofort haben. Sie war bereits bereit. Ich wiederholte meine Nummer, wie ich

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