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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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eingefallen.«
    »Er ist ein Dichter. Er dreht und wendet die Dinge nur ein wenig. Nimm dir das nicht so zu Herzen.«
    »Ich nehme mir das gar nicht zu Herzen. Warum sollte ich?«
    »Schön. Du bist doch nicht traurig? Sonst müsste Siggen dich trösten.«
    »Ich brauche keinen Trost. Aber vielen Dank.«
    Sigrid legte mir die Arme um den Nacken und pustete mir ins Ohr.
    »Sag mir, was du auf der Promenade gesagt hast, mein Stutenprinz.«
    »Ich bitte dich …«
    »Sag es! Siggen will es auch hören.«
    »Ich war das nicht«, wiederholte ich.
    »Soll ich uns einen Tisch im Grand bestellen?«
    Laut Ordnungsregeln waren Restaurants verbotenes Gelände. Ich lief Gefahr, die Tische umzustellen. Ich sagte:
    »Außerdem habe ich morgen früh eine große Operation. Ein Bruch. Ich muss ausgeruht sein.«
    Sigrid verzog das Gesicht und kippte mehr in ihr Glas aus der Flasche, die offen auf dem Tisch stand.
    »Es langweilt mich, hier allein zu Haus zu sein.«
    »Du hast doch Tora.«
    »Sie kann nicht die ganze Zeit hier sein. Außerdem ist die Saison vorbei.«
    »Wir können eine Haushaltshilfe einstellen«, sagte ich.
    Sigrids Augen verengten sich.
    »Ja, an Haushaltshilfen hat es hier ja nie gemangelt. Vielleicht wäre ein Chauffeur besser. Der mich so weit weg wie möglich bringen kann.«
    »Du kannst beides haben.«
    »Kann ich? Vom Gehalt eines Assistenzarztes?«
    »So schlecht geht es uns ja wohl nicht, oder?«
    Sigrid leerte ihr Glas.
    »Ein Bruch? Sind das die großen Pläne?«
    »Nabelbruch«, sagte ich.
    »Komm mir nicht mit Nabelbruch.«
    Sigrid schenkte sich noch mehr Gin ein. Das lief in die falsche Richtung. Ich musste sie zur Vernunft bringen und sagte natürlich etwas, was genau den gegenteiligen Effekt hatte.
    »Aber deine Eltern könnten doch …«
    Ich wurde unterbrochen.
    »Meine Eltern können uns nicht ewig unterstützen. Ist das klar?«
    Sie ließ sich aufs Sofa fallen und soff.
    »Können sie nicht?«
    Sigrid hob ihren Blick zu mir.
    »Wenn dein dummer Vater nicht in Konkurs gegangen wäre und sich erschossen hätte, dann hättest du ihn um Geld fragen können.«
    Ein paar Sekunden lang wankte ich, bevor ich das Gleichgewicht wiederfand.
    »Das war nicht nötig«, sagte ich.
    Sigrid legte sich die Hand auf den Mund, als würde ihr erst jetzt klar werden, was sie gesagt hatte.
    »Entschuldige, Bernhard. Ich habe es nicht so gemeint.«
    »Und wenn mein dummer Vater sich nicht erschossen hätte, dann hätten wir uns nie kennengelernt.«
    »Setz dich zu mir«, bat Sigrid. »Bitte.«
    Ich setzte mich neben sie, und sie lehnte sich an meine Schulter.
    Eine Weile blieben wir schweigend so sitzen, vielleicht suchten wir beide nach den richtigen Worten, die die Missgunst auslöschen könnten, die zwischen uns aufgetaucht war.
    »Meine kleine Majuskel«, sagte ich.
    Sigrid brummte und nippte an ihrem Gin.
    »Jetzt kannst du es sagen«, flüsterte sie.
    »Was?«
    »Was du auf der Promenade in Nizza gesagt hast, Berny.«
    Ich ließ Sigrid los und ging entschlossen zur Tür, wo ich stehen blieb. Das ertrug ich nicht länger.
    »Ich war das nicht!«, wiederholte ich.
    Aber sie lachte nur.
    »Natürlich warst du das, Berny!«
    »Nein, das war ich nicht! Das war ich nicht!«
    Ich warf die Zeitung auf den Boden und trampelte auf ihr herum, ich zertrampelte sie, bis die Papierfetzen im Raum aufstoben, trat und trampelte in einem fort, noch nie zuvor hatte ich so heftig getrampelt. Währenddessen fielen meine Augen auf Sigrid, es war, als hätte ich vergessen, dass sie hier war, und würde sie erst jetzt wiedersehen. Sie saß ganz still und stumm auf dem Sofa und verfolgte meinen Auftritt. Außerdem wirkte sie ganz nüchtern. Der Zwang fiel von mir ab. Der Zwang hatte bekommen, was er wollte, und kam mehr oder weniger zur Ruhe, beschämt und zitternd, ich faltete brav die traurigen Reste der Aftenposten zusammen und legte sie auf den Tisch.
    »Was guckst du?«, fragte ich.
    »Dein Mund.«
    »Ja, und? Wollen wir nicht bald essen?«
    »Hamsun hat recht.«
    »Was meinst du damit. Wieso hat er recht?«
    »Dass du unreif bist.«
    Das hätte Sigrid nicht sagen sollen.
    »Ich habe ihm das Leben gerettet!«, rief ich.
    »Trotzdem bist du unreif. Wie ein verzogener Junge. Sieh dich doch nur an.«
    Zumindest hätte sie das nicht wiederholen sollen.
    »Ich werde es dir zeigen!«
    Entschlossen ging ich wieder zur Tür, ohne die geringste Ahnung, was ich ihr zeigen wollte. Vielleicht sollte ich einfach zu Bett gehen und sehen, was

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