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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Nachricht, kein Zettel, nicht einmal ein Gruß. Almas Blume stand immer noch genauso frisch in der leeren Vase. Ein Wunder im Skovveien! Dann entdeckte ich, dass die Vase gar nicht leer war. Sie war voll mit abgestandenem Wasser, das die Blume aufsog. Das musste Notto gewesen sein, der sich um sie gekümmert hatte, dieser fürsorgliche und herzensgute Mensch. Doch die einzige Erinnerung an ihn, die ich fand, das war sein Frack. Der hing im Schlafzimmer. Der Frack war trotz allem eine Hoffnung, Trost für eine arme Seele. Dann fiel mir die Standuhr ein, ich stürzte zu ihr, hockte mich hin, öffnete den Uhrenkasten, und zu meiner großen Erleichterung lagen die schwarzen Drops immer noch an Ort und Stelle. Ich zählte sie. Die Anzahl war auch dieselbe wie beim letzten Mal. Doch die Sekunden waren zäher als früher. Die Uhr ging zu langsam. Es war die Wartezeit, die bereits eingesetzt hatte. Ich war versucht, mir eine Süßigkeit in den Mund zu stecken, konnte mich jedoch beherrschen. Dafür musste ich viermal in die Dettweiler Flasche spucken. Dann drehte ich den Uhrenschlüssel um drei Zacken nach links, gab dem Pendel einen leichten Stoß und stellte die Zeiger richtig. Anschließend legte ich mich auf das Sofa im Wohnzimmer, blieb aber nicht dort liegen. Es war nicht zu ertragen. Warum hatte Notto keinen Zeitpunkt hinterlassen, ein Datum, einen Monat, ja, zumindest ein Jahr? Ich kann so lange warten, wie es nötig ist, solange ich weiß, wie lange ich warten muss. Aber ich kann nicht aufs Geratewohl warten. Oh, du Menetekel! Allein der Gedanke führte dazu, dass sich vor mir ein Abgrund auftat, und ich fiel in ihn hinein, und alles fiel mit mir zusammen, sogar der Boden des Abgrunds fiel, und deshalb landete ich nie. Ich konnte nicht hierbleiben und der Standuhr lauschen. Außerdem hatte ich Sigrid schon zu lange auf die Folter gespannt. Ich rechnete damit, dass sie weichgekocht war, wie der große Dichter schrieb. Ich legte einen Zettel auf die Küchenanrichte: Bester Notto Fipp! Melde dich bald bei mir! Dein Bernhard Hval . Doch als ich wieder oben in Besserud ankam, war keine Sigrid da. Sie war ganz einfach gegangen. Nabelbruch! Ad arma! Ich war doch derjenige, der ging! Und so war es trotz allem mein Los an diesem Abend, in den verschiedenen Behausungen von Raum zu Raum zu laufen und niemanden zu finden. Ich legte mich ins Bett, konnte aber nicht schlafen. Eine schreckliche Nacht. Erst gegen Morgengrauen kam Sigrid. Ich saß auf der Treppe und sah sie. Sie hängte ganz ruhig ihren Mantel auf, schwankte ein wenig, als sie die Schuhe auszog, schaute eine Weile in den Spiegel und rieb etwas aus dem einen Auge. Dann befand sie es endlich an der Zeit, sich zu mir umzudrehen. Sie wirkte in keiner Weise verblüfft oder beschämt und auf jeden Fall nicht aufgebracht. Nicht viel Pönitenz hier am Hofe, oh nein. Sie war einfach chic wie immer.
    »Gestern hast du mir gut gefallen«, sagte sie.
    Ich wurde nicht schlau aus ihr. Nein, das wurde ich nicht. Und wenn ich jemals aus ihr schlau geworden bin, dann war es dann wohl zu spät.
    »Was meinst du?«
    »Dass du deines Weges gegangen bist.«
    »Das gefiel dir?«
    »Ja. Aber es gefällt mir noch besser, dass du zu mir zurückgekommen bist. Vielleicht können wir das noch einmal machen?«
    Sigrid lachte über ihren eigenen Einfall. Es roch bis zu mir nach Tabak. So leicht wollte ich es ihr nicht machen, oh nein.
    »Wo bist du gewesen?«, fragte ich.
    »Du hast dir doch wohl keine Sorgen um mich gemacht?«
    Jetzt war ich an der Reihe mit Lachen.
    »Sorgen? Ich bin doch selbst gerade erst nach Hause gekommen, dazu habe ich gar keine Zeit gehabt.«
    »Ich bin bei Tora gewesen.«
    »Die ganze Nacht?«
    »Hast du nicht heute diesen Nabelbruch?«
    »Die ganze Nacht?«, wiederholte ich.
    Sigrid zog sich die Strümpfe aus und kam näher, lautlos und langsam, als balancierte sie auf einem Seil.
    »Ich wollte nicht allein im Haus sein«, flüsterte sie.
    Ich muss es gestehen: Ich wurde ein wenig weich.
    Sigrid setzte sich quer auf meinen Schoß, öffnete mit schnellen Fingern den Reißverschluss, und ich spürte, dass sie inzwischen auch keine Unterwäsche mehr trug. Sie balancierte einige Sekunden lang auf mir und schlug mir die Arme um den Nacken.
    »Sag etwas, mein Stutenprinz.«
    »Eins, zwei, tröiedüs!«
    Sie sank hinab und begann sich zu wiegen.
    »Mehr«, flüsterte sie.
    »Spürst du meinen Schurigel?«
    »Ja.«
    »Tief drinnen in deinen feuchten

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