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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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lasst euch gesagt sein, habe etwas Besseres verdient, ja, etwas sehr viel Besseres, als Visite zu machen, den Finger ins Rektum zu stecken und Krankenberichte zu führen! Noch einmal schlug ich mit der Faust auf den Tisch. Dann ging es wieder auf demselben Weg nach Hause, zum Nationaltheater und mit der Bahn hoch nach Besserud, wo Sigrid Gin trank, oft zusammen mit Tora, und laut Musik aus dem Grammophon hörte, diesen Jazz, der mich nervös machte, der mich anzog, lockte und belauerte und dem ich mit aller Kraft widerstehen musste. Aber ich konnte Sigrid auch nicht bitten, ihn nicht mehr zu spielen. Das hätte sowieso nichts genützt. Es kostete Kraft. Ich hatte nämlich Angst, dass ich anfangen könnte zu tanzen. Das Trampeln, mit dem ich leben konnte, lief Gefahr, in einstudierte Schritte überzugehen, in einen schweren, mechanischen Tanz, und das wäre nicht auszuhalten gewesen. An diesem Abend hörte Sigrid glücklicherweise keine Musik, und sie war allein. Hätte ich jedoch gewusst, was kommen sollte, ich hätte Jazz und Tora vorgezogen. Sigrid trank nur Gin und schien etwas beschwipst, aber noch im Rahmen. Das ließ sich, rein fachlich gesehen, vertreten. Sie winkte mit der Aftenposten, während ich den Regen vom Regenschirm schüttelte und den Mantel in der Garderobe aufhängte. Es war bereits spät im Oktober.
    »Du stehst in der Zeitung!« Fast rief sie es.
    Ich erstarrte vor dem Kleiderbügel und konnte mich kaum umdrehen.
    »Na, so was«, sagte ich.
    »Bist du nicht neugierig?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Es war mehr nötig, um mich aus der Fassung zu bringen.
    »Da stand schon mal was über Bernhard Hval drin. Als ich der Beste meines Jahrgangs wurde.«
    »Aber das hatte nicht Knut Hamsun geschrieben.«
    Ich verstand einfach nicht, was Sigrid meinte – war sie doch viel betrunkener? –, und ich drehte mich langsam zu ihr um.
    »Was sagst du, Sigrid?«
    »Er schreibt über seinen Aufenthalt in Nizza.«
    Und Sigrid konnte gar nicht abwarten, sie musste es mir laut vorlesen. Ich legte die Hände auf den Rücken und war bereit. Wenn schon kein Dankesbrief kam, dann musste man sich mit der Zeitung begnügen.
    »Lass hören«, sagte ich.
    Sigrid hatte bereits einen Auszug aus diesem schändlichen Beitrag ausgesucht. Folgendes bekam ich zu hören und behielt es in meiner Erinnerung:
    Da reist man ganz optimistisch in den Süden, um die Wärme auf einem kalten, jämmerlichen Körper zu spüren, in der Sonne Kräfte zu sammeln und die Anonymität als Ausländer zu genießen. Die Riviera wurde ausgesucht, genauer gesagt Nizza, das schön in einer Bucht gelegen ist, wie ein freundliches Lächeln des Mittelmeers. Man glaubt sich sicher installiert. Die pompöse Gier der Franzosen ist für niemanden eine Überraschung, auch nicht dieses Unwesen, das Trinkgeld heißt; man kann in keinem Hotel ankommen, ohne nach links und rechts austeilen zu müssen. Nein, das lässt sich nicht ertragen. Doch dann stößt man auf den unvermeidlichen Norweger, dieses weichgekochte Wesen, als würde man die Karl Johan entlangspazieren. Doch dieser Norweger hier war ein starrköpfiges und sonderbares Exemplar seiner Art. Seine Manieren ließen zu wünschen übrig. Er spuckte direkt auf den Boden und glaubte wohl, er befände sich immer noch auf seiner Hütte hoch im Norden. Da kam mir in den Sinn, welch Glück es doch ist, dass es Norweger nur in begrenzter Anzahl gibt.
    All das und mehr, was ich hier nicht zitieren möchte, musste ich mir in meinem eigenen Heim anhören.
    Schließlich schaute Sigrid zu mir auf und erwartete wohl, dass ich etwas sagte.
    »Was er nicht sagt«, sagte ich.
    Ich ging ins Wohnzimmer, wobei ich ein homerisches Gelächter von mir gab. Das war also der Dank. Man rettet ein Leben und bekommt nichts anderes als Spott und Hohn zurück.
    Sigrid kam hinter mir her.
    »Wollen wir nicht ausgehen und feiern?«
    Feiern? Was meinte sie? Sollten wir diesen Versager von einem Verseschmied feiern, dieser simple Stümper hatte mich schriftlich verunglimpft, zwar nicht mit Namen, aber ich konnte nicht ausschließen, dass die Gerüchte bald kursieren würden, oh, ich kannte meine Pappenheimer und konnte sie schon hören: War nicht Bernhard Hval zur selben Zeit auf Hochzeitsreise in Nizza gewesen?
    »Was denn feiern?«
    »Na, dass Hamsun über dich schreibt.«
    »Das bin nicht ich.«
    »Red keinen Quatsch, Berny. Natürlich bist du das.«
    »Ich habe ihn nicht um ein Autogramm gebeten. Das wäre mir im Traum nicht

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