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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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nach einem Knall, so auf sich selbst eindreschen? Es stellte sich heraus, dass seine Katze drei Tage später auftauchte. Sie war seit einer Woche vermisst gewesen. Sentimental, vielleicht etwas übertrieben, werden einige behaupten, aber für mich ist das Grund genug.
    Darauf werde ich leider später noch einmal zurückkommen müssen, aber keine Sorge, es wird ein sehr kurzes Kapitel werden.
    Die Musik im Wohnzimmer war verklungen. Ich ging hinein und nahm mir dabei viel Zeit. Sigrid stand mit dem Rücken zum Grammophon.
    »Ich muss mit dir über etwas reden«, sagte ich.
    »Über was?«
    »Darüber will ich ja gerade mit dir reden.«
    Sigrid drehte sich zu mir um, eine gewisse Verblüffung war nicht zu leugnen.
    »Dann sag es doch.«
    »Es ist vielleicht besser, wenn wir uns setzen.«
    Und einen Moment lang sah ich etwas, was ich noch nie zuvor erlebt hatte. Ich sah eine Spur von Furcht über Sigrids Gesicht gleiten. Ich gebe zu, das gefiel mir. Diese Furcht wollte ich nach Herzenslust ausnutzen. Das sage ich ohne Scham. Es ist selten, dass wir Kantigen eine derartige Macht erlangen.
    »Ich setze mich nicht, bevor du mir nicht sagst, wer tot ist! Ist es Mutter? Ist Mutter tot?«
    Warum fragte sie nicht, ob ihr Vater tot war?
    »Niemand ist tot, liebe Sigrid.«
    »Ist jemand krank? Bist du krank, Bernhard?«
    Diese Fürsorge rührte mich wirklich. Aber konnte sie nicht verdammt noch mal endlich tun, was ich gesagt hatte, und sich hinsetzen?
    »Setz dich«, wiederholte ich.
    Endlich setzten wir uns.
    »Ja?«
    Sigrids Stimme zitterte.
    »Niemand ist tot oder krank«, sagte ich.
    »Worum geht es dann?«
    »Es ist schlimmer.«
    Sigrid beugte sich vor.
    »Schlimmer? Was ist denn noch schlimmer? Nun sag es endlich, um Gottes willen!«
    Ich schaute zu Boden.
    »Nur wenn du mir versprichst, nicht wütend zu werden. Kannst du mir das versprechen?«
    Sigrids Furcht wurde von Wut abgelöst. Das ging ungewöhnlich schnell. Ja, es ging so schnell, dass die Zeit zwischen diesen beiden Masken auf ihrem Gesicht kaum hätte gemessen werden können.
    »Aha, ja, na und?«
    »Du musst erst versprechen, nicht wütend zu werden.«
    Sigrid lachte und hustete, auf eine bedrohliche Art und Weise.
    »Wenn du mit ein oder zwei Krankenschwestern in der Besenkammer warst, dann werde ich ja wohl ein kleines bisschen wütend werden dürfen, Bernhard. Und wenn du nicht weißt, was ein kleines bisschen wütend ist, so wirst du es bald sehen können. Und wenn du dann wissen möchtest, was richtig wütend ist, dann werde ich dir mit Freude auch das zeigen. Nun rede endlich, du Wurm!«
    »Aber du lässt mich ja gar nicht zu Wort kommen, Siggen.«
    »Nenn mich nicht Siggen! Ich heiße Sigrid in diesem Gespräch, und solltest du mich noch jemals wieder Siggen nennen, musst du schon etwas anderes auf dem Herzen haben.«
    »Freust du dich darauf, wenn die Tennissaison wieder anfängt?«, fragte ich.
    »Bernhard Hval, du versuchst doch nicht, mir einzureden, dass du dich im November für Tennis interessierst? Hast du jetzt total den Verstand verloren?«
    »Es ist schlimmer.«
    Sigrid schrie:
    »Wie oft willst du das noch sagen! Sag mir lieber, was denn schlimmer ist! Wie heißen diese verfluchten Kittelmädchen, mit denen du dich herumtreibst? Und sag nicht noch einmal, dass es schlimmer ist! Sonst stelle ich Louis Armstrong an.«
    Ich hielt eine ganze Weile die Hände im Schoß gefaltet, denn ich konnte den Gedanken einfach nicht von mir schieben, dass Sigrid so große Stücke auf mich hielt, dass sie sogar glauben konnte, ich würde Krankenschwestern verführen. Das war insgesamt ein sehr aufmunterndes Gespräch. Es brauchte manchmal weniger, um die Liebe zu steigern. Und so blieb ich sitzen, bis ich die Andeutung eines physischen Aufruhrs auf dem Sofa hörte und dieser herrliche Augenblick nicht weiter in die Länge gezogen werden konnte, ohne dass der Jazz drohte.
    »Ich habe Weihnachten Dienst, Sigrid. Das ist von oberster Stelle angeordnet worden, und wie sehr ich auch versucht habe, es zu umgehen, es war nicht möglich.«
    Sigrid schaute mich an, während ich sprach. Sie ließ mich sogar ausreden.
    »Ist das alles, was du sagen wolltest?«
    »Ich kann also Heiligabend nicht mit dir und deinen Eltern feiern, aber ich verspreche, Silvester da zu sein.«
    Sigrid blieb eine Weile sitzen, schweigend, dann setzte sie sich auf meinen Schoß. Es war keine Einladung. Wir fingen nicht sofort an, an den Unterleibern herumzumachen. Es fand auf einer anderen

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