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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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auf dem Weg nach Evje gesehen worden war. Ich nahm keineswegs Kontakt auf zu der Bergbaugesellschaft und fragte dort nicht nach, ob sie einen Arbeiter namens Notto Fipp beschäftigten.
    Ich hatte alle Hände voll zu tun.
    Ich hatte mehr als genug damit zu tun, nicht zu warten.
    Sigrid dagegen, sie hatte nichts, womit sie sich beschäftigen konnte. Sie erledigte zusammen mit Tora tagsüber die Weihnachtseinkäufe und bummelte abends herum, Blom, Grand und nicht zuletzt Bristol, diese lärmenden Bars für Emporkömmlinge und Stutzer, die es nicht oft genug sagen konnten, ich gehe ins Bristol, und glaubten, damit gehörten sie zur Elite. Ich glaube, dass den Damen dort einiges spendiert wurde. Ja, und? Es gefiel mir weit weniger, dass sie in den Nürnberger Hof gingen, der Toras Vater gehörte und wo ich meinen feuchtfröhlichen Junggesellenabschied hatte erleben müssen. Wir, die Kantigen, kehren selten oder nie zurück zu den Tatorten, auch wenn es manchmal unumgänglich ist und viele unergründliche Umwege uns dorthin zurückführen. Vielleicht bekam Sigrid einiges über dieses Herrenbesäufnis zu hören, von dem ich so gar nichts mehr erinnerte. Und ganz richtig. Habe ich das nicht schon gesagt: Lästermäuler sind überall. Eines Nachts kehrte Sigrid aus der Stadt heim, genauer gesagt vom Nürnberger Hof, und weckte mich.
    »Stimmt es, dass sie dich nach Hause tragen mussten?«, fragte sie.
    Ich war verwirrt und buchstäblich aus dem Bett geholt worden.
    »Wie meinst du das? Wer soll mich nach Hause getragen haben?«
    Sigrid lachte, dass es im ganzen Haus widerhallte.
    Lange Zeit blieb ich still liegen. Was hatte ich getan, während ich nicht bei Sinnen war, im Interregnum zwischen dem Nürnberger Hof und dem Moment, als ich in der Mäusehalle im Rikshospital aufwachte? Ich wagte gar nicht, daran zu denken.
    Lieber über etwas anderes reden:
    »Wie geht es Tora?«
    Sigrid zündete sich eine Zigarette an und legte sich neben mich.
    »Sie sucht nach einem Mann, die Arme. Das ist etwas anstrengend.«
    »Wieso? Kann sie nicht jeden haben, den sie will?«
    »Aber es kann nicht jeder, der will, Tora haben, Berny.«
    Sigrid rauchte zu Ende. Ich wünschte, sie würde nur in ihrem Zimmer rauchen.
    »Haben sie noch was gesagt?«, fragte ich äußerst vorsichtig.
    »Hast du Lust auf mich, Berny?«
    »Das habe ich doch immer.«
    »Du schmatzt so.«
    Ich presste die Lippen zusammen.
    »Wie wäre es mit einer kleinen Runde im Zapfenloch?«
    »Ich bin müde.«
    So schnell konnte ich mich nicht geschlagen geben.
    »Aber haben sie sonst noch etwas gesagt?«
    Sigrid war bereits eingeschlafen, in ihren Kleidern. Ich blieb wach und unwissend liegen, und mir war nicht gerade leicht zumute. Aber es sollte noch schwerer werden. Das eine führte das andere mit sich, was wiederum zum Dritten überleitete. Eine teuflische Logik. Ein circulus vitiosus. Nicht weniger. Am nächsten Morgen ließ ich sie liegen, wie sie war, nahm die Bahn, blieb zurückhaltend, machte mich an die Aufgaben des Tages, Krankenberichte, Visiten, wie gesagt, ich beklagte mich nicht. Zu meiner Freude, die nur kurz währte, wie üblich, durfte ich als Nummer zwei bei einem Blinddarm assistieren, keine besondere Auszeichnung für den Besten seines Jahrgangs, aber immerhin. Der Patient, ein Junge von acht Jahren, hatte zwei Tage lang geschrieen. Als die Krankenschwester mir die Handschuhe überzog, sah ich, dass meine Hände zitterten, aber nicht sehr. Sie sah es auch. Die Operation war jedenfalls erfolgreich. Ich verschloss den Jungen. Eine Weile fürchtete ich, jemand würde die etwas schiefe Naht bemerken, und ich hatte mir bereits eine Erklärung überlegt, aber im Ruheraum hinterher drehte sich das Gespräch um etwas anderes, etwas weit Unangenehmeres.
    Die Anästhesie fragte:
    »Warst du nicht auf Hochzeitsreise in Nizza, Hval?«
    Mir war sofort klar, worauf er hinauswollte.
    Ich war an der Reihe:
    »Eine herrliche Stadt! Sie liegt in einer Bucht, die aussieht wie ein Lächeln des Mittelmeers selbst!«
    Dass ich meinen Mund nicht besser im Zaume halten konnte. Schnell schob ich einen Keks hinein und hörte, wie die anderen sich amüsierten.
    Der Oberarzt:
    »Hast du den großen Dichter dort getroffen?«
    »Wen?«
    Die anderen lachten, sie lachten hinter meinem Rücken.
    »Na, Hamsun natürlich. Er hat letztens so vortrefflich in der Aftenposten geschrieben.«
    Die Gerüchte brauchten ihre Zeit im Rikshospital, zuerst die Diagnose, dann Kir und Ergo, Hand und

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