Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman
kicherte.
»Ja, nicht wahr? Dein Trauzeuge ist ein netter und sonderbarer Mann!«
Jetzt lachten die Damen lauthals bei Tisch, während mein Schwiegervater nur den Kopf schüttelte und mich anschaute, verschworen, wie wir waren, und sein Blick, dieser eklige Blick von Mann zu Mann, sagte, dass diese Damen, diese erwachsenen Damen, doch hoffnungslos kindisch seien, aber wir können ja nicht ohne sie sein, nicht wahr, Bernhard?
Mein Mund war trocken wie Baumrinde.
Ich wandte mich Tora zu.
»Er wünscht dir sicher richtig schöne Weihnachten«, sagte ich.
»Mehr als das, Bernhard. Er wünscht mich.«
»Wie bitte? Hat er …«
Der Schwiegervater hob sein Weinglas und unterbrach mich.
»Wisst ihr, Bernhard hat da so eine kleine schlechte Angewohnheit. Egal, was man sagt, er antwortet immer entweder mit Wie bitte oder Wieso.«
Mehr Gelächter, wir prosteten uns zu.
Tora schlug gegen mein Glas, und ich leerte es in einem Zug.
»Er wünscht mich«, wiederholte sie.
»Du meinst, er wünscht dir schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr?«
»Nein, Bernhard. Notto Fipp hat um meine Hand angehalten.«
Ich brauchte noch ein Glas Wein und noch eines. Ich stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. Welch Einsamkeit! Welch Entschlussfreude! Auf einer Weihnachtskarte zu freien!
»Und du hast natürlich mit Ja geantwortet?«
Erneutes Gelächter.
»Ja, das kannst du mir wohl glauben. Aber wenn du so wenig von mir hältst, dann will ich dieses Jahr kein Wort mehr mit dir reden.«
»Verstehst du keinen Spaß, Tora?«
»Na, du doch auch nicht«, lachte sie.
Ich hätte die Tischdecke herunterreißen können. Ich hätte viermal in die Sauce spucken können. Ich hätte den Stuhl umwerfen und gegen die Wand trampeln und spucken können, bis die Dettweiler überlief. Ich hätte sagen können: Du findest keinen Besseren auf der Welt! Denn Notto Fipp ist zu gut für diese Welt! Er ist von einer anderen Welt, und trotzdem kehrst du seinem generösen Angebot den Rücken zu und verlachst ihn!
»Du hast nicht zufällig die Karte hier?«, fragte ich.
Doch, das hatte sie.
Natürlich hatte sie sie dabei, und sie hatte sie bereits allen gezeigt und auf diese Art Notto Fipp in Verlegenheit gebracht, ja, ihn fast betrogen. Gibt es keine Gesetze gegen so etwas? Wenn es Gesetze gibt, nach denen eine Ehe aufgelöst werden kann, dann muss es doch auch Gesetze geben, nach denen eine Frau, die einem Mann von Ehre untreu ist, in Acht und Bann geschlagen wird, auch wenn sie nicht verheiratet sind?
»Ein hübsches Motiv«, sagte ich.
Ein Pferd, das Baumstämme durch den Schnee zog, und auf den Stämmen stand ein Kobold und hielt die Zügel.
Der Schwiegervater redete mit vollem Mund:
»Dieser Fipp weiß zumindest, worum es beim Holzhandel geht, abgesehen von dem Kobold.«
»Lies sie«, sagte Tora.
Ich drehte die Karte um und sah, dass Notto ihre Adresse in der Huitfeldts gate herausgefunden hatte. Übrigens halte ich es nicht für korrekt, wenn ich genau wiedergebe, was er geschrieben hat und mich damit auf das gleiche niedrige Niveau begebe wie diese Klatschbasen und Lästermäuler, ich möchte nur ganz einfach bestätigen, dass Tora recht hatte: Notto Fipp hielt um ihre Hand an, auf seine Weise; wie schon gesagt, war er kein Meister des geschriebenen Wortes, doch das machte er voll und ganz mit seiner direkten Art wieder gut. Hätte er ihr Aug in Aug gegenübergestanden und hätte Tora ihn dann sprechen lassen, aus seinem ehrlichen Herzen, dann hätte sie eingewilligt, dessen bin ich mir ganz sicher. Die Karte enthielt keinen Reim, keine Gedichtzeilen, er kam direkt zur Sache. Übrigens rührte es mich, dass er einen meiner lateinischen Sprüche aufgegriffen hatte, auch wenn er nicht so ganz am rechten Orte war: cum grando salis. Ihr Notto Fipp.
Die Karte war abgestempelt am 4. Dezember in Norwegen, genauer gesagt in Bodø. Was hatte Notto Fipp dort zu tun? Es war keine große Hilfe, aber zumindest ein Trost zu wissen, dass er noch lebte, jedenfalls hatte er das bis zum 4. Dezember getan. Gleichzeitig war es besorgniserregend, dass er möglicherweise bis nach Nordnorwegen gegangen und sich auf dem Weg vollkommen verausgabt hatte. Und noch schlimmer wäre es, wenn er den ganzen Weg wieder hätte zurückgehen müssen. Ich wagte kaum, daran zu denken. Ich hätte sofort vom Tisch aufstehen und mich darum kümmern müssen, anrufen, telegraphieren, die Polizei alarmieren, die örtlichen Zuständigen, obere und oberste Behörden entlang
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