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Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman

Titel: Die unglaublichen Ticks des Herrn Hval - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: btb Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Kantigen, aufgezeichnet von Bernhard Hval selbst.
    Ich öffnete die Tür und schloss sie wieder. Viermal tat ich das und kam dennoch nicht hinaus, blieb auf der Stelle stehen. Direktor Lund betrachtete dieses Schauspiel mit großer Gelassenheit. Schließlich sagte ich:
    »Über Weihnachten ist hier ein Junge, noch ein Kind, verstorben. Ich glaube, er hieß Iver. Hat man mehr über die Todesursache herausgefunden?«
    »Ja, das haben wir. Er ist von seinem Vater misshandelt worden. Die Mittelohrentzündung resultierte von Schlägen mit der flachen Hand über einen längeren Zeitraum. Aber daran ist er nicht gestorben. Er ist an schweren inneren Verletzungen gestorben, die auch aus grober Misshandlung resultierten.«
    »Wieso hat man das nicht sofort gesehen?«
    »Weil der Vater seinen Sohn regelmäßig und unbeirrt mit Dingen geschlagen hat, die keine äußeren Schäden verursachen. Nasse Handtücher, Peitschen, aus Birkenreisern gefertigt. Er hat dem Jungen sogar den Finger so heftig in die Seite gestoßen, dass die Milz gerissen ist. War sonst noch etwas, Hval?«
    Es platzte einfach aus mir heraus:
    »Ja, apropos große Pläne. Sie haben in Ihrer Rede so etwas erwähnt. Auf der Hochzeit.«
    Mir fiel auf, dass wir ständig zwischen Du und Sie wechselten, zumindest ich tat das, und das machte mich unruhig.
    Direktor Lund legte seine Papiere hin.
    »Ja, das stimmt. Ich habe große Pläne.«
    »Inwiefern?«
    »Mir ist aufgefallen, dass du am besten bei den Toten bist. Die Lebenden machst du nervös.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Die Gerüchte besagen außerdem, dass du dich da unten, in der sogenannten Mäusehalle, wohlfühlst. Dort hast du eine Zukunft, Hval.«
    Ich wusste nicht, was ich erwidern sollte. Langsam wurde ich diese Gespräche leid, bei denen nicht gesagt wurde, was eigentlich gemeint war.
    »Als Pathologe?«
    »Als Gerichtsmediziner. Erinnerst du dich nicht mehr, was du bei der mündlichen Prüfung gesagt hast: Denke gerichtsmedizinisch.«
    »Das war nur so eine Redensart.«
    »Das interessiert mich nicht. Das war klug formuliert. Und benutze deine Permission, um deine Kenntnisse auf diesem Gebiet zu verfeinern. Ich werde dir die notwendigen Papiere zusenden. Reicht ein halbes Jahr?«
    Ich musste die Monate im Kopf nachrechnen. Wir waren im Februar. Notto Fipp wieder auf die Beine zu bekommen, würde seine Zeit brauchen. Falls der Kampf zwischen der Banane und dem Steak stattfinden sollte, musste das im Juni oder Juli sein.
    »Vielleicht wären acht Monate besser«, sagte ich.
    »Ich schicke einen Antrag an die Leitung, aber das ist reine Formsache.«
    »Danke. Ich bin Ihnen äußerst dankbar.«
    Schließlich konnte ich die Tür öffnen, ohne sie gleich wieder zu schließen.
    »Nur noch eins, Hval. Und hör gut zu.«
    »Ich höre Ihnen immer gut zu, Direktor Lund.«
    »Lass dich von Ivers Schicksal inspirieren, damit die Schuldigen nicht frei herumlaufen können, wenn sie Verbrechen begangen haben. Haben wir eine Abmachung?«
    Ich nickte.
    Er wiederholte:
    »Haben wir eine Abmachung, mit der wir zufrieden sein können?«
    »Ja.«
    Ich verließ Direktor Lunds Büro mit vielen unvollendeten Gedanken. Bernhard Hval, Gerichtsmediziner? Der Pathologe Bernhard Hval, der Herrscher der Mäusehalle? Der Gedanke war mir nicht vollkommen fremd. Vielleicht hatte er recht? Zumindest hatte ich mich in der Gesellschaft meines Vaters am wohlsten gefühlt, nachdem er tot war. Aber ich hatte so viel anderes zu bedenken, ja, mehr als ein einzelner Mensch bewältigen kann, ich konnte nicht an alles auf einmal denken. Der Königsgedanke galt auf jeden Fall Notto Fipp. Er wartete immer noch in der Aufnahme, noch zusammengesunkener als je zuvor. Ich hätte ihn gern gewogen, doch dagegen wehrte er sich. Das kam gar nicht in Frage. Ich schätzte sein Gewicht auf 49 Kilo. Deshalb nahm ich ihn umgehend mit mir in den Skovveien, kaufte Bananen und Milch in reichlicher Menge und begann mit der mühsamen Arbeit, ihn wieder auf die Beine zu bringen.
    »Es ist zu Ende«, sagte Notto Fipp.
    »Zu Ende? Was meinst du?«
    »Mit dem Gehen. Ich bin fertig mit diesem Blödsinn.«
    »Ich kann nicht zulassen, dass du so redest.«
    »Es hat sowieso keinen Sinn mehr.«
    Ich sah ein, dass die Rekreationsarbeit mehr erforderte als zunächst angenommen. Deshalb kam ich gleich zur Sache, denn es war keine Zeit zu verlieren.
    »Ganz im Gegenteil, du sollst von Kopenhagen nach Oslo gehen«, sagte ich.
    Ich schob ihm ein dickes Kissen unter die

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